Wenn Pflege und Beruf kollidieren

Firmen können sich einem Velberter Projektbündnis anschließen und so ihren Mitarbeitern schnelle Hilfe garantieren.

Velbert. Wo finde ich Unterstützung, wenn ein Familienmitglied pflegebedürftig wird? Wer zahlt, wenn die Pflegeversicherung noch nicht zahlt? Solche Fragen stellen sich die meisten erst dann, wenn es nicht mehr vermeidbar ist. In Firmen ist Pflege kaum ein Thema. Sabine Lindner-Möller, Geschäftsführerin des Velberter Unternehmens Mecu-Metallhalbzeug, weiß aus ihren Gesprächen mit anderen Unternehmen: „Wenn die Leute das Thema Pflege hören, dann machen sie zu.“

Dagegen möchten die Partner des Gemeinschaftsprojekts „Vereinbarkeit von Pflege und Beruf“ etwas tun. Möller hat selbst im Unternehmen erfahren, wie schnell einen das Thema einholen kann. Innerhalb eines Jahres waren plötzlich zwei Mitarbeiter mit der Situation konfrontiert, pflegen zu müssen. Besonders hart: Ein Mitarbeiter starb sogar an den Folgen der Überlastung.

Das von der Bergischen Diakonie, Mecu und der Stadt Velbert initiierte Projekt hat zwei Säulen: einmal die Aufklärung in regelmäßigen Informationsveranstaltungen und zum Zweiten die schnelle Hilfe. Jeder der Projektpartner kann auf den kurzen Draht zum Fachpersonal der Diakonie zurückgreifen. Innerhalb von 24 Stunden gibt es einen Beratungstermin. Dagmar Czerny, von der Diakoniestation Niederberg weiß: „Wenn es brennt, müssen einige Sachen schnell in die Wege geleitet werden.“

Gunnar Rusack ist mit seiner Firma Schulte-Schlagbaum ganz frisch in das Bündnis eingestiegen. Er sagt: „Für uns ist es das Entscheidende, das Thema aus dem Tabu rauszuholen.“ Es sei ideal für das Unternehmen gewesen, sich an ein bestehendes Projekt ranhängen zu können.

Das ist der Charme der Imitative. Czerny sagt: „Kosten entstehen erst, wenn Leistungen in Anspruch genommen werden.“ So können auch kleine Firmen ihre Angestellten gut absichern, obwohl sich ein spezieller „Pflege-Ansprechpartner“ in der Firma nicht lohnen würde. Rusack schätzt: „Viele Unternehmen verdrängen das Thema, weil sie denken, dass das zusätzliche Arbeit bedeutet.“ Das Gegenteil sei der Fall. Durch die kompetente Beratung soll auch verhindert werden, dass ein Arbeitnehmer im Betrieb für längere Zeit ausfällt, weil die Organisation auf eigene Faust so beschwerlich ist.

Bürgermeister Dirk Lukrafka findet, die Aktion passt angesichts des demografischen Wandels bestens in unsere Zeit: „Alle bewegt es, aber man geht nicht den entscheidenden Schritt und informiert sich.“

Die zwölf angeschlossenen Unternehmen wie Stadtwerke und Sparkasse HRV haben in den letzten zwei Jahren insgesamt 30 Beratungen in Anspruch genommen. Eine kleine Zahl — aber für die Betroffenen, da sind sich alle Partner einig, eine riesige Erleichterung.