WZ-Stadtgespräch: Waschen, schneiden, reden

Frisör Giovanni Cortese ist in seinem Laden Familienoberhaupt und Psychiater.

Foto: Ulrich Bangert

Wülfrath. Bei Giovanni Cortese bleiben die Gäste oft länger als nur für den Haarschnitt. „Vor allem am Samstag, wenn der Sekt aufgemacht wird“, sagt der Wülfrather Frisör und lacht. Bei Haarmoden-Cortese an der Wilhelmstraße gehört der verbale Austausch zu jedem Schnitt dazu und viele Kunden wollen ausdrücklich wissen, was gerade Stadtgespräch ist.

„Im Moment reden alle über das neue Café am Heumarkt“, verrät Cortese und schiebt nach: „Das ist echt toll geworden.“ Was den Kunden härter auf den Magen schlägt als jeder Espresso sei derzeit die Ausschilderung der Parkplätze rund um die Innenstadt. „Die Leute sind einfach verwirrt“, berichtet der 50-Jährige. Oftmals beschwerten sich Wülfrather über Knöllchen und wüssten nicht einmal, was sie falsch gemacht haben.

Giovanni Cortese ist einer dieser Frisöre, mit dem man immer ins Gespräch kommt, auch über Privates. „Die Leute erzählen besonders gern von ihren Urlauben oder was sie gerade Neues gekocht haben“, sagt der Smalltalk-Experte.

Nicht selten gehe es auch um unerfreuliche Themen, wie etwa Krankheiten oder Todesfälle. Doch Cortese sieht das positiv: „Ich finde es toll, dass die Leute so viel vertrauen zu uns haben.“ Trotzdem, nach tragischen Geschichten muss sich der Frisör erst einmal wieder sammeln und das Gehörte abschütteln.

Doch das Gespräch mit den Kunden ist für den Wülfrather nicht etwa eine Belästigung, sondern elementarer Teil seines Jobs. „Der Frisör ist ein Psychiater“, sagt er. Die Allerwenigsten, so seine Erfahrung, kommen nur für die Dienstleistung am Schopfe. Zumal Cortese in seinen fast 25 Jahren in Wülfrath an unterschiedlichen Adressen so viele Stammkunden gewonnen hat, dass es inzwischen im Salon richtig familiär zugeht.

Da gibt es an der Tür auch mal eine Umarmung oder das berühmte Küsschen rechts-links — und auf dem Frisörstuhl werden dann die Rezepte ausgetauscht. Und wenn Kunden über Jahre den Weg in den Salon gefunden haben und dann plötzlich kein Auto haben, findet Cortese auch eine Lösung. „Wenn ich Zeit habe, fahre ich einige Kunden sogar nach Hause“, berichtet der Ladeninhaber.

Die Themen gehen dem Frisör nie aus. Seine Taktik über den Tag ist ganz einfach: „Man muss jedem Kunden ein anderes Gespräch aufzwingen.“ Nur das Wetter bleibt unangetastet, da hat der 50-Jährige nämlich einmal eine schlechte Erfahrung gemacht. „Da hat eine Kundin zu mir gesagt: Das ist die blödeste Art ein Gespräch anzufangen.“ Das hat sich der Frisör gemerkt.