Zugvögel in der Warteschleife gehen dem Experten ins Netz

Wegen des kalten Wetters fängt und beringt der Tönisheider Ornithologe Reinhard Vohwinkel viele Tiere, die eigentlich schon weiter im Norden sein sollten.

Tönisheide. Das kalte Märzwetter macht nicht nur den Menschen zu schaffen. Auch viele Zugvögel haben mit den Wetterlaunen zu kämpfen. Auf ihrem Weg in nördlichere Gefilde werden sie vom Schnee ausgebremst und legen notgedrungen einen Zwischenstopp ein. „Wir haben gerade Zugstau“, sagt Reinhard Vohwinkel und erklärt damit, warum in seinem Kescher derzeit so viele Vögel landen.

Mit dem Fangnetz oder sogar mit der Hand fängt der Ornithologe auf seinem Grundstück in Tönisheide momentan nicht nur heimische Arten, sondern auch solche, die eigentlich nur auf der Durchreise sind. „Hier in der Gegend kann man beispielsweise Tausende Erlenzeisige beobachten“, sagt Vohwinkel. Zweihundert von ihnen hat er selbst schon gefangen.

Die Tiere wollen eigentlich nach Skandinavien oder Sibirien. Weil im Norden aber noch zu viel Schnee liegt, bleiben die Zeisige quasi auf halber Strecke hängen. Einige waren auch schon in ihren Brutgebieten angekommen, um dann wieder umzukehren. „Diejenigen, die nicht den Rückflug antreten und in der Hoffnung auf besseres Wetter abwarten, überleben das meistens nicht“, so der Tönisheider.

Dagegen finden die Zeisige in unseren Breitengraden derzeit schon fast komfortable Bedingungen vor. Mit Birken- und Erlensamen beispielsweise bietet die Natur ausreichend Nahrung. „Die kalten Temperaturen machen den Vögeln nichts aus. Sie brauchen dann einfach fettreicheres Futter“, sagt der Vogelexperte, der als ehrenamtlicher Mitarbeiter der Vogelwarte Helgoland Tag und Nacht mit dem Fangnetz unterwegs ist. Mehr als 500 Vögel hat er seit Jahresbeginn gefangen. In einem Jahr können es auch schon mal bis zu 14 000 werden.

Messen, wiegen und beringen: Es dauert keine fünf Minuten, bis die gefiederten Gefangenen wieder in die Freiheit entlassen werden. „Die Vögel nehmen das gelassen hin und warten, bis die Sache erledigt ist“, sagt Reinhard Vohwinkel. Kein Gezappel und Geschrei in seiner Hand. Im Gegenteil, sie lassen sich anschauen und präsentieren geduldig ihr Federkleid. „Manche Meise fange ich jedes Jahr bis zu zehn Mal“, erklärt er schmunzelnd, dass ihm oft alte Bekannte ins Netz gehen.

Nur rund 30 der mehr als 10 000 Vögel, die Reinhard Vohwinkel alljährlich fängt, wurden von bereits anderen Ornithologen beringt. Dagegen erkennt er mehrere Tausend daran, dass er sie selbst gekennzeichnet hat. Deren Flugrouten kann er übrigens verfolgen, wenn die Tiere woanders im Fangnetz stranden. „Dann bekomme ich eine Meldung“, so Vohwinkel.