Die Suche nach der perfekten Flamme

In der „Langen Nacht der Industrie“ besuchten 50 Gäste die Westdeutsche Dochtfabrik und die CS Additive GmbH.

Foto: Isabella Raupold

Brüggen/Nettetal. Wenn demnächst die Kerzen auf dem Adventskranz brennen, sehen manche die nach oben strebende Flamme und das von ihr verbreitete Licht mit anderen Augen. Wenn sich dann der Docht an der Spitze leicht verbiegt, wissen sie, dass sie eine Kerze von guter Qualität gekauft haben. Das haben sie nämlich gehört, als sie in der „Langen Nacht der Industrie“ der Westdeutschen Dochtfabrik (Wedo) an der Ravensstraße in Kaldenkirchen einen Besuch abstatteten.

Foto: Isabella Raupold

Sie wissen auch, dass es eines großen technischen Aufwandes bedarf, um aus Acetylenkoks das Aufkohlungsmittel Carbolux zu produzieren, das dem Stahl die nötige Härte verleiht. Dabei sind Temperaturen bis zu 1350 Grad nötig, wie sie bei der CS Additive GmbH in Bracht erfuhren.

Beide Firmen beteiligten sich erstmals an der seit 2011 laufenden Aktion, mit der Unternehmerverbände, Industrie- und Handelskammern sowie Gewerkschaften auf die Bedeutung von Industrieunternehmen für das Funktionieren der Wirtschaft aufmerksam machen wollen. 89 Firmen an Rhein und Ruhr, davon drei im Kreis Viersen, hielten ihre Tore von 18 bis 22 Uhr offen und empfingen rund 3500 Besucher. Fast 50 waren es bei zwei Touren im Grenzland. „Ich bin für diese Tour ausgelost worden“, sagte ein Student der Betriebswirtschaft (Achtes Semester) aus Düsseldorf, der Unternehmen kennenlernen wollte.

Industrie, wie man sie sich vorstellt: in den Himmel ragende Behälter, ein großes Eisenstangengerüst, dunkle Riesenaggregate. Die CS Additive GmbH entspricht voll dieser Vorstellung, zumal in der Dunkelheit. Früher war an der Brachter Stiegstraße die Ziegelei van Eyk, später das Blähtonwerk Dahmen, seit rund zehn Jahren ist hier die Chemie zuhause.

Doch die Produktion von rund 40 000 Tonnen Carbonprodukten wird in der Nachbarschaft kaum bemerkt, denn „wir arbeiten in einem geschlossenen System“, erläutert Werkleiter Jürgen Nygren. Was vorne flüssig aus eigenen Fahrzeugen hineingepumpt wird, kommt hinten in 20- oder 25-kg-Säcken wohl portioniert für den Transport heraus. Zu 47 Prozent gehen sie nach Deutschland, zu 32 Prozent nach Europa und zu 21 Prozent nach Übersee. Geschäftsführer Dr. Manfred Kühn ist guten Mutes, in China einen neuen Markt zu erschließen. Er setzt weiterhin auf Produkte von hoher Qualität. Dass es ein solches Unternehmen in unserer Region gibt, hat Frank Trimborn (Willich) sehr erstaunt: „Das vermutet man hier nicht.“

„Wir wollen die perfekte Flamme“, umreißt Wedo-Geschäftsführer Dr. Michael Matthäi das Unternehmensziel. Die Docht-Spezialisten tüfteln seit 1954 am idealen Kerzenlicht und haben es inzwischen auf rund 1000 Varianten des millimeterdünnen, mal runden, mal flachen Lichtspenders gebracht. Weil der „Docht die Seele der Kerze ist“, wie Walter Tillmann geschrieben hat, entwickeln sie immer wieder neue Varianten, so dass auch die Duftkerze im Glas eines amerikanischen Herstellers keinen Ruß mehr zeigt. Das Geheimnis: Man muss einen Goldfaden einweben, um die katalytische Verbrennung sicherzustellen. Wedo produziert pro Jahr rund 350 Tonnen Dochte, vorwiegend aus Baumwolle. Reiht man sie aneinander, kommt man auf 600 000 Kilometer, also 15 Mal rund um den Globus. Die Produktion geht zu 85 Prozent ins Ausland, der Marktanteil in Europa beträgt 50 Prozent, so dass man von einem „Hidden Champion“ sprechen kann.

Petra von den Bosch (Mönchengladbach) war ganz angetan davon, dass sie an diesem Abend einen Blick hinter die Kulissen werfen konnte und sah, wie Produkte entstehen und wie viel dazugehört, dass sie weiter verarbeitet werden können. Dass die Mitarbeiter/innen in der Dochtfabrik „mit Begeisterung“ ihrer Arbeit nachgingen, hatte Regina Müller (Düsseldorf) beobachtet. Sie fand die Besuche „total spannend“, denn sie seien dank der ausführlichen Erläuterungen „so etwas wie die Sendung mit der Maus für Erwachsene“.

Für die Firmenchefs ist bei der „Langen Nacht der Industrie“ neben dem „Good Will“ der Industrie gegenüber das Werben um Nachwuchskräfte wichtig.

CS Additive gewinnt einige durch Ausbildung zum Mechatroniker, Wedo setzt neben Ausbildung auf Absolventen der Hochschulen, die sie durch Praktika und Bachelor-Arbeiten unterstützt. Zwei Absolventen der Hochschule Niederrhein haben so eine Stelle bei Wedo gefunden.