Ein Zirkus treibt die Inklusion in Leuth voran

Die Bewohner von Haus Maria Helferin treten als Artisten, Jongleure und Clowns in die Manege.

Foto: jobu

Leuth. Zaghaft den linken Fuß vor, dann den rechten, immer zaudernd den Blick nach unten: Das Seil zittert, der junge Mann darauf auch. Er hälts sich fest an den Händen der Artisten, die ihn stützen. Ein letzter Schritt — geschafft! Der Seiltänzer springt zu Boden, strahlt, und auch Zirkusdirektor Jonny Cassely ist zufrieden. „Die Zusammenarbeit von Artisten und Behinderten ist für alle eine Herausforderung, aber auch eine Bereicherung.“

Dieser Herausforderung haben sich die geistig und teils mehrfach Behinderten aus dem Haus Maria Helferin in Leuth eine Woche lang gestellt. Heute zeigen sie im Zirkuszelt, was sie gelernt haben. „Das Publikum kann durchaus eine professionelle Show erwarten. Wir haben zwar alle Spaß, packen die Proben aber auch ernsthaft und mit Ehrgeiz an“, sagt Cassely.

Für die Behinderten-Einrichtung des Deutschen Ordens am Schwanenhaus mit mehreren Außenwohngruppen im Stadtgebiet ist das jährliche Zirkusprojekt — ähnlich wie der Martinsmarkt — eine Gelegenheit, sich als offenes Haus zu präsentieren. „Unser Zirkusprojekt hat 60 Teilnehmer, in erster Linie unsere Bewohner, dazu einige aus unserer Partnereinrichtung St. Josef in Düsseldorf, und mit dabei sind auch einige Kinder aus Nettetal ohne Behinderung, der Inklusions-Aspekt ist uns wichtig“, sagt Hildegard Kieselbach von Haus Maria Helferin. „Miteinander leben und erleben, so lautet deshalb auch das Motto unserer Kultur Arbeitsgemeinschaft die die Veranstaltung plant.“

Dieses Miteinander funktioniert, wie der stellvertretende Einrichtungsleiter Uwe Gäde erläutert: „Wir freuen uns über die große Resonanz. Vor allem sind wir dankbar für die Unterstützung des Zirkusprojekts, das sonst kaum zu stemmen wäre.“ Der Förderverein und Sponsoren unterstützen das Projekt finanziell. Hilfe, etwa beim Zeltaufbau, kommt nach Gädes Angaben aus ganz Leuth: von Nachbarn, der Freiwilligen Feuerwehr, Landjugend, Schützenzug und Pfarrorchester, das auch während der Aufführung spielt.

Das Zirkus-Projekt ist ein Beispiel, dass Inklusion in Nettetal eine immer größere Rolle spielt. So stellte etwa die DJK Sportfreunde Leuth auf Anregung des Vereins Kindertraum eine inklusive Kinder-Fußballmannschaft auf. Die Lebenshilfe Kreis Viersen, die in Lobberich ein inklusives Wohnhaus plant, führte mit dem Künstlerehepaar Minten in Lobberich das inklusive Kunstprojekt „Comix“ durch.

Im großen blauen Zelt herrscht bei den Proben Gedränge: Artisten zeigen den Bewohner, wie sie sich als Jongleure, Seiltänzer, Fakire im grellen Scheinwerferlicht bewegen. Draußen basteln und malen Bewohner in einem Pavillon: „Manche trauen sich nicht immer ins Zelt, sie können solange hier kreativ sein“, erklärt Hildegard Kieselbach.

Man habe sich mit dem Circus Jonny Cassely Jr. bewusst für ein angesehenes professionelles Zirkus-Unternehmen entschieden, sagt Udo Gäde. „Das kommt Bewohnern wie Besuchern zugute.“ Bei diesem Projekt könnten siech die Teilnehmern ihren Fähigkeiten gemäß einbringen. Jede gelungene Aktion bringt mehr Selbstbewusstsein. So wie bei Lutz (39): „Ich habe eine Rolle als Clown. Wenn ich merke, dass die Scherze ankommen, dann habe ich auch Spaß.“ Er freue sich auf die Vorstellung heute. Dann blickt er zur Manege und klatscht Beifall: Einer seiner Mitbewohner hat beim zweiten Versuch den Seiltanz souverän gemeistert.

“ Aufführung heute um 15 Uhr. Das Pfarrorchester Leuth spielt. Eintritt: drei Euro, für Kinder 1,50 Euro.