Frauen erweitern Macht in Viersen

In Viersen standen die Möhnen zur Bürgermeisterin Sabine Anemmüller, in Dülken musste das Alte Rathaus gestürmt werden.

Dülken/Viersen. „Ganz toll“, sagt Ingeborg Gartz, Obermöhne der Dreistadtmöhnen, erfreut darüber, dass endlich die Dölker Möhnen mit ihrer selbst ernannten „Interimsobermöhn“ Andrea Stollenwerk den Sturm auf das Dülkener Rathaus mitmachen. Kämmerer Norbert Dahmen, Ortsbürgermeister Michael Aach und Vizebürgermeister Hans Willi Bouren begrüßten die Möhnen, das Kinderprinzenpaar Niels I. und Lilou I. sowie viele Vertreter der Karnevalsvereine. „Die Tür bleibt zu“ — die drei Herren im oberen Fenster blieben hart, die Pressefotografen hielten die „wertvolle Tür“ zu, doch gemeinsam mit dem Kinderprinzenpaar gelang es den Möhnen, beim dritten Anlauf die Rammen in die Tür zu bohren. Unter gewaltigem Gebrüll der Zuschauer öffnete sie sich endlich und Norbert Dahmen händigte den Stadtschlüssel aus. „Gloria tibi Dülken“ erklang als Dank. Dann ging es weiter zur Lange Straße, wo die Dölker Möhnen eine Juxparade veranstalteten und mit hölzernen Karren Prominente gegeneinander antraten. Pünktlich um 13.11 Uhr kamen alle auf den Alten Markt, wo Präsident Erich Schmitz im Namen des Vaterstädtischen Vereins die Gäste willkommen hieß. Auf dem Markt tanzten Bären, Zombies, Engel, Schweine, Kühe — die Fantasie der Kinder und Jugendlichen nahm kein Ende. Sogar FBI- und Polizeibeamte waren unter ihnen. Alle schunkelten mit den Garden der Üüle. Erich Schmitz sang „Man müsste noch mal 20 sein“ — natürlich bevor die Möhnen eintrafen — und alle sangen mit: „Egal ob es stürmt, regnet oder schneit — dies ist Heimat.“ Dann ging es richtig los. Zuerst tanzten die Möhnen, dann sang „de kölsche Jong“ live, dann tanzten die Crazy Kids auf der Bühne. Und nachdem auch das Boisheimer Prinzenpaar Karl I. und Marga I. mit Gefolge auf die Bühne kam, gab Schmitz dem Kinderprinzen Niels das Mikrofon: „Wir haben schließlich einen Prinzen.“ Der sprach um 13.35 Uhr die magischen Worte: „Hiermit eröffne ich den Dülkener Straßenkarneval.“

In Viersen ticken die Möhnen anders. Halten seit vergangenem Jahr aus weiblicher Solidarität zur Bürgermeisterin, verbünden sich mit der Stadtspitze zur Stadthausverteidigung gegen Prinzengarde & Co. Mit tollen Folgen! Leonard Bernstein wäre stolz auf die Vierscher gewesen: Wie die rivalisierenden Gangs in der „West Side Story“ traten Prinzengarde und Drei-Stadt-Möhnen musikalisch-tänzerisch gegeneinander an, nachdem ein erster Kanonenschuss aufs Stadthaus gegen 15.30 Uhr ziemlich folgenlos verpufft war. Und Senatspräsident Frank Schiffers seine Geheimwaffe schon gezündet hatte: „Wir haben die Schwachstelle im Stadthaus gefunden — es sind eure Herzen“, sagte er und bat das Kinderprinzenpaar Jakob I. und Anni I. auf die Bühne. Sie schnappte sich eine Geige, er setzte sich hinters Schlagzeug — und mit Unterstützung von Leonie am Kontrabass gab’s dann eine wirklich zu Herzen gehende Version von Coldplays Viva la Vida. Da wankte Bürgermeisterin Sabine Anemüller zwar schon, aber sie stand noch — die Hände am schillernden Hut, den der Wind forttragen wollte. „Zirkus“ hatte sich das Stadthaus-Team als Motto gegeben, Kämmerer Norbert Dahmen beeindruckte mit clownesk-großer blauer Fliege und Haaren in gleicher Farbe, die Technische Beigeordnete Beatrice Kamper kam als Dompteurin mit güldenen Hosen, Zylinder und gezwirbeltem Schnäuzer auf den Stadthaus-Balkon. Von dort mussten sie miterleben, wie sich die Bürgermeisterin beim alles entscheidenden Quiz dem Prinzenpaar geschlagen geben musste. „Das sind aber ziemlich tendenziöse Fragen!“, beschwerte sich Anemüller bei Schiffers. „Das ist mir doch egal“, entgegnete er. „Hauptsache, wir kommen ins Stadthaus!“ Um 16.43 Uhr war es so weit.