Ahmed Khalifa: „Wir fordern nur unser Recht ein“

Ägypten: Hautarzt Ahmed Khalifa berichtet von der aktuellen Lage in seiner Heimat.

Kempen. „Jeder kann zurzeit machen, was er will“, beschreibt Dr. Ahmed Khalifa die Zustände in seiner Heimat Ägypten. Die Polizei habe sich vollständig zurückgezogen, erklärt der in Kempen lebende Hautarzt. Das Militär zeige stattdessen Präsenz, Panzer rollten über die Straßen. Mutter, Vater, Schwester und Bruder wohnen in Al-Fayoum, das rund 130 Kilometer von Kairo entfernt liegt.

Der 33-Jährige hat jeden Tag Kontakt zu seiner Familie, allerdings nur über das telefonische Festnetz. „Das funktioniert ab und zu, Mobilfunk und Internet sind abgeschaltet.“ Das öffentliche Leben im Land liege weitestgehend brach. Die meisten Geschäfte seien geschlossen, weshalb die Lebensmittel knapp werden. „Meine Familie sagt, dass es nur wenig zu essen gibt.“ Brot sei momentan das Hauptnahrungsmittel. Viele Leute backten sogar wieder selber zu Hause, wie in früheren Zeiten. Zur Arbeit gehe momentan kaum jemand.

Ein großes Thema sei die Sicherheit. „Normalerweise verschließt bei uns niemand seine Haustür“, sagt Khalifa. Da aber viele Verbrecher aus den Gefängnissen ausgebrochen seien, schlafe seine Familie nachts derzeit nicht. Zum Schutz sperrten die Bewohner ihre Straßen beim Einbruch der Dunkelheit ab und bewachten sie gemeinsam.

Er mache sich natürlich Sorgen um seine Familie, sagt Khalifa. Am Wochenende sei die Situation bereits sehr gefährlich gewesen. Er hoffe darauf, dass es nun zumindest in seiner Heimatstadt Al-Fayoum ruhiger werde.

Khalifa studierte in Kairo Medizin und kam vor zwei Jahren nach Kempen. „Ich habe niemals erwartet, dass es einmal zu solchen Protesten kommen würde“, erklärt er. Die Entwicklung in Tunesien habe die Menschen offenbar motiviert.

Seine Entscheidung, nach Deutschland zu gehen, habe vor allem mit den Lebensumständen in seiner Heimat zusammengehangen. „Als Arzt habe ich 38 Euro im Monat verdient“, sagt Khalifa.

Fast die Hälfte der Ägypter lebe unterhalb der Armutsgrenze, obwohl seiner Meinung nach genug Geld verdient werden könnte. Dank Bodenschätzen, Suezkanal und Tourismus sei ein Wohlstand für alle Menschen aus seiner Sicht denkbar. „Das Problem ist, dass alles an die Oberschicht und Mubaraks Anhänger fließt.“ Die Korruption habe in den vergangenen zehn Jahren stetig zugenommen.

Staatspräsident Husni Mubarak habe zwar auch Gutes getan, aber für 30 Jahre Herrschaft sei es einfach viel zu wenig. „Ich bin stolz, dass jetzt 80 Millionen Menschen wollen, dass er aufhört.“ Wichtig sei ihm, dass die Proteste friedlich und ohne Gewalt ablaufen. „Wir fordern nur unser Recht ein. Und wenn Mubarak geht, dann fangen wir von vorne an.“

In dreieinhalb Wochen möchte Khalifa nach Ägypten reisen, um sich vor Ort ein Bild von den Protesten zu machen. „Hoffentlich gibt es bis dahin wieder Flüge, zurzeit werden viele storniert.“