Pfandleihe Alles, was man zu Geld machen kann

In ihrem Geschäft erfährt Heike Zimmermann viel über persönliche Schicksale.

Foto: Kurt Lübke

Kempen. Finanzielle Engpässe — damit kennt sich Heike Zimmermann aus. Die 45-Jährige hat damit fast täglich im Geschäft am Buttermarkt zutun. Denn hinter dem Namen Juwelier R. Winter verbirgt sich neben dem klassischen Verkauf von Schmuck und Ankauf von Gold auch ein Pfandleihhaus. Vor drei Jahren hat Heike Zimmermann, die in Nettetal wohnt, das Franchise-Geschäft übernommen.

Wenn Menschen kurzfristig Bargeld benötigen, dann klingeln sie an der Tür zur Hausnummer 12. „Wir nehmen Schmuck, Uhren, kleine Elektronik wie Handys, aber auch Autos und Motorräder in Zahlung. Wir nehmen alles, was man zu Geld machen kann“, sagt Zimmermann, die von Beruf Goldschmiedin ist. Dann bewertet sie die Teile. Wenn sie das nicht selbst machen kann, wie zum Beispiel bei Autos, dann „hat sie ihre Fachleute“. Zudem werden die Personalien aufgenommen, ein Pfandleihschein ausgestellt und Geld ausgezahlt. Die Konditionen, so Zimmerman, seien schlechter als ein Kredit bei der Bank. Aber dafür erhalte der Kunde sein Geld „relativ unbürokratisch“.

Die Wertgegenstände verschwinden schließlich für drei Monate im Tresor oder gesicherten Lagerhallen. Ist bis dahin die Uhr oder das Auto nicht ausgelöst, so wird der Kunde angeschrieben. „Nach weiteren vier Wochen Karenzzeit kommen die Sachen dann in die Versteigerung nach Heinsberg, wo das Stammhaus ist“, erklärt Zimmermann. Aber: „98 Prozent der Betroffenen kommen, um auszulösen oder zu verlängern.“

Ausgelöst werden kann das Pfand gegen Zahlung des geliehenen Betrags plus der angefallenen Zinsen und Gebühren. Heike Zimmermann hat einige Kunden, die immer wieder kommen. „Oft fühlen sich die Menschen verpflichtet, zu erklären, warum sie Geld brauchen“, sagt die 45-Jährige. Manchmal handelt es sich um vergleichsweise kleine Summen, wie 20 Euro. Zimmermann: „Aber damit kommen die Leute dann über den Rest eines Monats, können Essen kaufen.“ Bei ihr dürfe geweint werden, sagt sie. Niemandem müsse sein Schicksal peinlich oder unangenehm sein. „Meine Familie war auch einmal in finanzieller Not. Ich kann mitreden und weiß, dass es einem von einem Tag auf den anderen schlecht gehen kann.“

Ihre Kunden kommen aus Kempen und Umgebung. So erinnert sie sich an einen jungen Mann, der aus Neukirchen-Vlyn mit dem Rad gekommen sei, um ein Armband der Großmutter zu versetzen. „Wenn ein Pfand nicht zum Kunden passt, dann ziehen wir Erkundigungen ein“, sagt Zimmermann. Ein Telefonat mit der Großmutter habe Klarheit geschaffen.

Hat die Goldschmiedin das Gefühl, dass die angebotene Ware eventuell nicht das Eigentum des Überbringers ist, lässt sie die Finger davon. Oder überprüft anschließend das Pfand. „Wenn ich Diebesgut annehme, komme ich in ernste Schwierigkeiten“, sagt sie. Aber das sei ihr noch nie passiert.

Sie und ihre beiden Mitarbeiterinnen Carola Jahn und Mechthild Hagemann fühlen sich inmitten von Schmuck und Gold sicher. Neben der 24-Stunden-Video-Überwachung passt Australian-Shepherd-Rüde Diego auf die Damen auf. Und in Kürze bekommt er Gesellschaft von einem Rhodesian Ridgeback.