Angebliche Knef-Schwester macht St. Hubert unsicher
Kabarettist Ulrich Michael Heissig war zum zweiten Mal in der Kempener Comedy-Reihe zu Gast — in seiner Rolle als Irmgard Knef.
St. Hubert. Die Kunstfigur Irmgard Knef, die fiktive Zwillingsschwester von Hildegard Knef, gibt es bereits seit 21 Jahren. Hinter der blonden Perücke und der großen Sonnenbrille verbirgt sich Ulrich Michael Heissig. Der 53-Jährige war bereits vor neun Jahren in St. Hubert als alternde und leicht skurrile Diva aufgetreten. Jetzt präsentierte er sein neuestes Programm „Ein Lied kann eine Krücke sein“ im Forum.
Hildegard Knef starb mit 76 Jahren. Ihre vermeintliche Schwester ist jetzt um die 90 — kein Wunder, dass die kleinen Zipperlein ein Thema sind. „Mit 90 Jahren, da ist man wirklich nicht mehr jung, da hat so manche Schüssel schon ’nen Sprung“: Heissig spricht deutlich mehr als er singt, aber die Reime sind auf jeden Fall perfekt. Irmgard Knef ist zum Teil die Imitation von Hildegard Knef, der erfolgreichen Schauspielerin, Chansonsängerin und Autorin, sie verkörpert exemplarische eine Frau, die im Leben zu kurz gekommen ist.
Der Broadway war nicht ihr Arbeitsplatz, aber sie gönnt sich dennoch eine Portion Extravaganz, geht aber auch offen mit ihrem Leben um. Die Gegenwart bereitet ihr Probleme, die hat eine Sehnenscheidenentzündung vom vielen Scrollen und ein Überbein vom Tippen auf dem iPhone. Ulrich Michael Heissig hat altbekannten Melodien neue Texte spendiert. Das Alter vergleicht Irmgard mit einem Joghurt: „Er kann nach Ablauf des Verfalldatums noch mehrere Wochen Kultur entwickeln.“
Vieles, was die fiktive Schwester sagt, könnte auch von Hildegard Knef stammen. Eine gewisse Traurigkeit, im zunehmenden Alter viele Krankheiten, das alles ist der großen Hildegard nicht unbekannt gewesen. Immer, wenn sie ein Chanson singen will, sagt Irmgard Knef „Kindchen, fahr’ ab“.
Die Gegenwart erscheint ihr langweilig: „Statt Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll gibt es heute Veganismus, Lactose-Intoleranz und Helene Fischer.“ Vielleicht schwingt auch etwas Neid mit, denn die Künstlerin ist immer noch süchtig nach Anerkennung, wofür heute Likes bei Facebook stehen.
Ja, Melancholie schwingt auch mit, wenn die Vergangenheit lebendig wird: „Ich bin mehr als 500 Mal vor total ausverkauften Kindertagesstätten aufgetreten, ich rauchte Kette und tanzte Stange“ — so sieht kein gelungenes Leben aus. Heissig kriegt aber die Kurve: Seine Protagonistin ist nicht nur erbarmungswürdig, sie hat ihren schwarzen Humor noch nicht verloren und vermittelt schon noch die Aura einer Frau von Welt. Immer schwingt der Verdacht mit, die berühmte Hildegard würde genauso sprechen wie ihre angebliche Zwillingsschwester.