Analyse Bürgermeister-Frage: Bald beginnt ein heißer Herbst im Königreich Kempen
Kempen · Analyse: Bis zur Wahl dauert es noch ein Jahr. Die Debatte um einen Nachfolger von Bürgermeister Volker Rübo beherrscht aber schon das politische Kempen. Kandidat Dellmans wird in Kürze seine Kampagne ankurbeln. Und die CDU bereitet ihren eigenen Weg vor.
Das politische Sommerloch, das ohnehin recht klein war, schließt sich allmählich. Mit dem Ende der Schulferien herrscht wieder mehr Betrieb in Politik und Verwaltung. Neben den drängenden Kempener Fragen zur Zukunft von Schulen und Kitas, zum Klimaschutz oder zum neuen Baugebiet im Westen drehen sich derzeit aber viele Gespräche um Personalangelegenheiten. Ein gutes Jahr vor der Kommunalwahl werden die Gespräche zur Kandidatenfrage für das Bürgermeisteramt konkret. Wer wird Nachfolger von Volker Rübo (CDU)? Zumindest die Anwärter für das höchste Amt der Stadt werden nach einem heißen Herbst feststehen. Eine Analyse.
Ein Anwärter ist bereits seit Mitte März bekannt. Stadtsprecher Christoph Dellmans wird für SPD und Grüne ins Rennen gehen. Von beiden Parteien wird der Parteilose in einigen Wochen offiziell bei Mitgliederversammlungen zum Kandidaten gekürt. Und im September und Oktober soll das Projekt Dellmans dann so richtig Fahrt aufnehmen. Der Kempener, der sich unter anderem von einer Beraterin aus Bad Neuenahr coachen lässt, wird via Facebook und Co., aber auch persönlich in seine Kampagne eintreten. Die noch herrschende Zurückhaltung zu Kempener Themen wird der Pressesprecher der Verwaltung dann wohl nicht mehr an den Tag legen können.
Dellmans wird um weitere
Unterstützung werben
Details zum Vorgehen gleicht der Parteilose regelmäßig mit SPD und Grünen ab. Jeweils fünf Vertreter der beiden Parteien treffen sich derzeit einmal pro Monat mit Dellmans. Bald sollen die Abstände kürzer werden, wie SPD-Vorsitzender Stefan Kiwitz verrät. Daneben arbeiten Rot und Grün am Spagat, als Parteien getrennte Wahlkämpfe führen zu wollen. „Wir werden unsere Unterschiede herausstellen“, betont SPD-Fraktionschef Andreas Gareißen.
Ebenfalls im Herbst wird das Werben von Dellmans um weitere Unterstützung intensiver. „Wir werden uns im dritten oder vierten Quartal mit Herrn Dellmans zusammensetzen“, sagt Christian Gehlen, Fraktions-Geschäftsführer der Freien Wähler Kempen (FWK). Nach einer Einschätzung der Ideen und Pläne des Kandidaten werde man dann entscheiden, ob es für eine Unterstützung seitens der FWK reicht, so Gehlen: „Einen Zeitrahmen dafür gibt es aber nicht.“
Die FDP-Vertreter haben sich schon vor der Sommerpause mit Christoph Dellmans getroffen. Mathias Ingenhoven, stellvertretender Vorsitzender, berichtet von einem konstruktiven Gespräch. Aus Sicht der FDP ist aber noch „völlig offen“, ob Dellmans unterstützt wird. Ein eigener Kandidat sei ebenso möglich wie die Unterstützung eines Repräsentanten aus der CDU. Die Vertreter von FDP und FWK betonen, in jedem Fall auch mit den Christdemokraten sprechen zu wollen. „Wenn denn bei der CDU mal ein Kandidat feststeht“, ergänzt FWK-Geschäftsführer Gehlen.
In der CDU gilt Parteichef
Kraft weiterhin als Favorit
Bei der CDU steht derzeit offiziell nur fest, dass ihr Kandidat nicht Christoph Dellmans sein wird. Dieser hatte – das ist inzwischen schon ein offenes Kempener Geheimnis – bereits vor seinen Gesprächen mit Grünen und SPD bei der CDU in Sachen Unterstützung vorgefühlt. Und dass Dellmans in den Reihen der „Schwarzen“ durchaus einige Befürworter hatte und hat, ist ebenfalls kein Geheimnis. Allerdings überzeugte die Lösung mit dem parteilosen Stadtsprecher die CDU-Spitze letztlich nicht vollends. Nun sucht der Vorstand weiterhin nach einer eigenen Lösung – zumindest offiziell.
Denn intern setzen viele Insider auf den Vorsitzenden selbst. Philipp Kraft, seit September Chef der Kempener CDU, gilt weiterhin als Favorit für die Bürgermeister-Kandidatur. Dass es inzwischen innerhalb der Christdemokraten weitere Interessenten gibt, geht derzeit nicht über die berühmte Gerüchteküche hinaus. Der Parteichef selbst lässt sich noch nicht in die Karten gucken. Kraft betont, dass die zuständigen Gremien der Partei sich nach den Sommerferien mit der Aufstellung eines Kandidaten befassen werden. Im Herbst solle der Weg der kommenden Monate festgelegt werden. Dabei gilt wohl auch weiterhin Krafts Aussage in einem WZ-Interview aus dem Januar, dass der Prozess der Kandidatenfindung mit Sorgfalt unter seiner Führung stattfinden werde.
Beruflich kennt sich Kraft in jedem Fall bestens mit der Kandidatensuche aus. Der 45-Jährige arbeitet in Neuss im Personalmanagement des Weltkonzerns 3M. Gerade diese Tatsache macht wiederum einige Beobachter der politischen Szene skeptisch, ob der zweifache Familienvater diese berufliche Position für den Posten des Bürgermeisters aufgeben würde.
Wo doch obendrein nicht garantiert ist, dass ein CDU-Kandidat – wie auch immer er oder sie heißt – 2020 als Sieger aus der Wahl hervorgeht. Denn die niederrheinische Wahlkampf-Formel, nach der hierzulande sogar ein Besenstiel mit schwarzem Tuch gewählt werden würde, gilt nicht mehr. Speziell in der Kempener Konstellation, in der Christoph Dellmans eine starke Rolle einnimmt. Durch seine langjährige Tätigkeit als Stadtsprecher und seine Verwurzelung in vielen Vereinen (u.a. Karneval) ist der 52-Jährige in der Tat bekannt wie ein bunter Hund. Zudem könnte er rund um die Klimaschutz-Themen vom bundesweiten Aufwind der Grünen profitieren. Und zwar so stark, dass der bundesweite Abwind der Sozialdemokratie gar nicht ins Gewicht fällt.
Der schwierige Spagat als Stadtsprecher und Wahlkämpfer
Spannend und auch entscheidend dürfte werden, wie sich Dellmans in seiner Doppelrolle als Stadtsprecher und Wahlkämpfer zurechtfinden wird. Er wird sich auf Tage einstellen müssen, an denen er morgens gegenüber der Presse zu erklären und verteidigen hat, warum die Verwaltung bei Thema X fragwürdig gehandelt hat. Um dann abends bei einer Wahlkampfveranstaltung das Handeln der Verwaltung gegebenenfalls zu kritisieren und zu erklären, wie er es denn besser machen will. Der Verwaltungsfachangestellte steht vor der großen Aufgabe, die Führungskrise der Stadtverwaltung nicht auf sich abfärben zu lassen. Um Erfolg zu haben, müssen Dellmans und seine Unterstützerparteien dafür sorgen, dass die zahlreiche und in Teilen gerechtfertigte Kritik am Verwaltungshandeln von Bürgermeister Rübo bei der CDU angesiedelt wird.
Derzeit wirkt es so, dass die Probleme in der Verwaltung zum Problem für die CDU und dann eben auch für deren Kandidaten werden. Es ist momentan nicht unwahrscheinlich, dass auch der eher konservative Wähler im „Königreich Kempen“ den Frust über stockende Schulsanierungen, einen nicht gebauten Sportplatz oder den viel kritisierten Kauf von drei Rathaus-Gebäuden bei der CDU und seinem Kandidaten ablädt, um in der Wahlkabine woanders sein Kreuz zu machen.
Die Politik in der Thomasstadt steht vor einem heißen Herbst und vor einem spannenden Wahlkampf. Dem spannendsten seit 1999, als es erstmals eine Direktwahl und somit den ersten hauptamtlichen Bürgermeister (Karl Hensel/CDU) gab.