Offener Brief „Gemeinsam schaffen wir Corona“
Im Vergleich zu seinen Amtskollegen aus anderen Kommunen hielt sich Kempens Bürgermeister Volker Rübo in den vergangenen Tagen mit öffentlichen Worten zurück. Nun hat er an einen offenen Brief an die Kempenerinnen und Kempener geschrieben. Die WZ druckt den Brief im Wortlaut ab.
Liebe Mitbürgerinnen
und Mitbürger,
das Corona-Virus hat unser Leben in nur wenigen Tagen radikal verändert. Was wir vor einigen Wochen noch für undenkbar gehalten haben, ist inzwischen Realität. Das öffentliche Leben ist nach und nach heruntergefahren worden. Der Schließung der Schulen und Kindertagesstätten folgten die Geschäfte und Restaurants. Seit dem Wochenende gilt ein Kontaktverbot. Der Blick aus dem Rathaus auf den Buttermarkt bei strahlendem Sonnenschein tut weh. Dort, wo wir uns gerne treffen und die Zeit in den Cafés und Gaststätten verbringen, herrscht gähnende Leere.
Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie sich an die Auflagen halten und die Einschränkungen befolgen. Sie sind zwingend, denn nur zusammen können wir die Infektionsketten unterbrechen.
Derzeit ist die Anzahl der in unserer Stadt am Corona-Virus erkrankten Menschen überschaubar. Unsere guten Wünsche begleiten sie. Mögen sie die Erkrankung gut überstehen und sich schnell wieder erholen. Die ersten sind auch bereits genesen.
Aber diese Situation kann sich von Tag zu Tag verändern. Wir wissen nicht, wie viele Menschen sich in unserer Stadt bereits infiziert haben und so das Virus, das leider äußerst ansteckend ist, weiterverbreiten können. Dies müssen wir gemeinsam und solidarisch verhindern. Jeder von uns muss auf sich aufpassen, um sich selber und damit auch seine Familie und seine Liebsten zu schützen.
Unsere Bundeskanzlerin hat in ihrer TV-Ansprache zur Corona-Krise gesagt: „Es ist ernst, nehmen Sie es ernst.“ Beherzigen wir ihren eindringlichen Appell an uns.
Wir müssen Zeit gewinnen, damit die Ärztinnen und Ärzte, die Krankenpflegerinnen und Pfleger in unseren Praxen und in unserem Krankenhaus für uns da sein können, wenn wir erkranken. Unser Krankenhaus hat sich vorbereitet. Dafür bin ich sehr dankbar.
Danken möchte ich allen, die in diesen Tagen in der Medizin und Pflege, im Rettungsdienst, im Lebensmittelhandel, bei der Polizei, der Freiwilligen Feuerwehr und den Hilfsorganisationen für uns da sind.
Bedanken möchte ich mich auch bei den Erzieherinnen und Erziehern, bei den Lehrerinnen und Lehrern, die eine Notbetreuung aufrechterhalten. Sie stellen sicher, dass Kinder von Personen, die in anderen systemrelevanten Bereichen unabkömmlich sind, gut und liebevoll betreut werden. Allerdings bitte ich alle Eltern zum Schutz ihrer Familie, aber auch zum Schutz der Betreuerinnen und Betreuer, die Inanspruchnahme der Notbetreuung auf das unbedingt erforderliche Maß zu begrenzen
Mich erreichen derzeit viele Hilfsangebote. Bürgerinnen und Bürger möchten sich für ihre Mitmenschen engagieren. Das macht mich glücklich. Das ehrenamtliche Engagement ist ein Markenzeichen unserer Stadt, in der nach wie vor Gemeinschaft gelebt wird. Um die Hilfe zu koordinieren, ist die Internet-Plattform www.kempenhilft.de wieder aktiviert worden. Hat sie uns 2015 bei der Flüchtlingskrise geholfen, so wird sie in der Corona-Krise Menschen verbinden, die helfen wollen und Hilfe suchen. Sie wird den Unternehmen Hinweise geben, wie und wo sie finanzielle Unterstützung erhalten und sie wird den Familien Ideen vermitteln, wie sie ihre Freizeit gemeinsam verbringen können.
Im Vordergrund steht derzeit der Schutz unserer Gesundheit. Aber auch die wirtschaftlichen Folgen erfüllen uns mit großer Sorge. Sie werden gravierend und tiefgreifend sein. Besonders hart trifft es bereits den Einzelhandel und die Gastronomie. Fehlende Umsätze und damit verbunden nicht bezahlbare Löhne von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, laufende Kosten, Pachtzahlungen und natürlich der eigene Lebensunterhalt sorgen für Existenzängste.
Bund und Land haben umfangreiche Hilfspakete für die Wirtschaft geschnürt, die jedoch noch nicht in allen Einzelheiten ausgearbeitet sind. Die Hilfe muss nun schnell fließen. Viele Einzelhändler und Gastronomen brauchen jetzt die nötige Liquidität, um ihre Rechnungen bezahlen zu können, und sie brauchen nicht nur Überbrückungskredite von Bund und Land, sondern echte Zuschüsse.
Auch Sie, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, können unserem Einzelhandel helfen, indem Sie zum Beispiel online bei unseren Geschäften bestellen oder Ihre geplanten Einkäufe bis zur Wiedereröffnung der Ladenlokale zurückstellen.
Alle Fraktionen im Stadtrat ziehen zusammen mit mir an einem Strang. So werden auch wir unsere, allerdings begrenzten Möglichkeiten nutzen, unsere heimische Wirtschaft zu unterstützen. Wir werden auf Antrag, die Gewerbesteuervorauszahlungen stunden, wir werden Vollstreckungen aussetzen, wir werden die Aussetzung von Gebührenzahlungen im Einzelfall prüfen, wir werden unsere Verbindungen nutzen, um die örtliche Situation und die erforderlichen Maßnahmen den Entscheidungsträgern auf der Ebene von Bund und Land nahe zu bringen.
Eine Vielzahl von Entscheidungen wird in den kommenden Wochen und Monaten zu treffen sein. Rat und Verwaltung werden hier eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten, um die Folgen der Pandemie für unsere Stadt und für uns alle abzumildern. Unsere finanziellen Möglichkeiten werden sich deutlich verschlechtern und neue Prioritäten gilt es dann festzulegen. Das ist die Zukunft. Jetzt gilt es erst einmal Schritt für Schritt den Alltag zu bewältigen. Die Verwaltung mit ihren engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und ich sind für Sie da.
Im vergangenen Jahr haben wir froh und ausgelassen unser Stadtjubiläum gefeiert. In der 725 Jahre langen Geschichte unserer Stadt hat es viele Höhen, aber auch Tiefen gegeben. Jede Generation hatte Herausforderungen zu meistern. Gemeinsam schaffen wir Corona.
Bis es vorbei ist, passen wir aufeinander auf.
Im Namen von Rat und Verwaltung wünsche ich Ihnen und Ihrer Familie von Herzen, dass Sie unbeschadet durch die Corona-Krise kommen und dass alle in Ihrem Umfeld gesund bleiben.
Ihr
Volker Rübo,
Bürgermeister