Wirtschaft Firmen wollen aus der Corona-Krise lernen

Kempen. · Die Unternehmen in Kempen sind auf höchst unterschiedliche Weise von den Auswirkungen des Virus betroffen.

Das Technologie- und Gründerzentrum Niederrhein (TZN) in Kempen hat alle Tagungen und sonstige Veranstaltungen bis nach den Osterferien auf Eis gelegt.

Foto: Stefan Finger

„Ich habe noch keine problematischen Rückmeldungen bekommen“, sagt Thomas Jablonski mit Blick auf das Technologie- und Gründerzentrum Niederrhein (TZN). In dem Kempener Gründerzentrum sind 63 Firmen ansässig, meist kleine und mittlere Start-ups. Nach Einschätzung des TZN-Geschäftsführers ist noch nicht abzusehen, wie sich die Krise auf die ansässigen Unternehmen auswirken wird: „China ist längst nicht mehr das alleinige Problem. Die Entwicklung in Europa gerät zunehmend in den Blickpunkt.“ Zurzeit herrsche eine Ausnahmesituation, insbesondere bei Tagungen und Veranstaltungen, die zumindest bis auf die Zeit nach den Osterferien ausfallen. Jablonski, der auch Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Viersen (WFG) ist, verweist auf die WFG-Kreis-Viersen-Homepage, auf der – täglich aktualisiert – Liquiditätshilfen für Unternehmen aufgelistet sind. „Ich setze jetzt vor allem auf schnelle und unbürokratische Hilfen des Bundes“, sagt Jablonski.

Die Lackwerke haben intensiven Geschäftskontakt mit China

Die Lackwerke Peters unterscheiden Mitarbeiter mit farbigen Westen in Teams, die getrennt arbeiten.

Foto: Axel Küppers

„Wir haben an unserem Hauptsitz in Kempen ein Vorsorgebündnis geschaffen mit einem umfassenden Maßnahmenkatalog“, berichtet Ralf Schwartz, Geschäftsführer der Lackwerke Peters. Die Peters-Gruppe ist auf die Herstellung und Entwicklung von Beschichtungen für die Elektronik spezialisiert und hat intensive Geschäftskontakte zu China. In Shanghai betreibt Peters eine Niederlassung. „Es gibt bisher keinen Ansteckungsfall oder irgendwelche Versorgungsengpässe, weder auf der Einkaufs- noch auf der Verkaufsseite“, sagt Ralf Schwartz. „Während sich die Lage für die Chinesen langsam entspannt, wirkt sie sich in Italien drastisch aus“, so Schwartz, der auch Vorsitzender im Arbeitgeberverband Unternehmerschaft Niederrhein ist. Als solcher hat Schwartz bereits Anfang Februar auf die möglichen Auswirkungen einer Pandemie hingewiesen. Die Unternehmerschaft hat ihre 800 Firmen am Niederrhein mit einem Informationspaket versorgt.

Mehrere Einkaufsquellen sollen die Risiken zukünftig verringern

Auf der mittelständischen Ebene macht das Kempener Unternehmen Alders electronic ähnliche Erfahrungen. Geschäftsführer Martin Alders, der mit seinem Familienunternehmen vielfältige Geschäftsbeziehungen zu Fernost, aber auch zu anderen Kontinenten pflegt, räumt ein: „Die Corona-Krise trifft uns alle hammerhart.“ Der Spezialist für individuelle elektromechanische Bauteile sagt aber auch, dass die Wirtschaft quer durch alle Branchen aus der Krise lernen muss. „Wir sollten uns von einer Monostruktur des Einkaufs verabschieden und eine zweite Quelle auftun“, betont Alders. Diese Flexibilität rät Alders, der auch Vorsitzender vom Unternehmerkreis Kempen (UKK) ist, den hiesigen Betrieben.

Vorbereitet auf die Krise hat sich Latzel Steuerberater. „Wir haben ein System aufgebaut, das auch bei Widerständen wie der momentanen Krisensituation funktioniert“, sagt Holger Latzel. Durch die konsequente Umstellung auf das Digitale ist unabhängiges Arbeiten mit den Mandanten möglich. Für die eigenen Mitarbeiter bietet Latzel Home-Office und ein flexibles Vertretungssystem an.

Wie sieht es bei kleineren Unternehmen aus? „Wirtschaftlich ist es für mich eine Katastrophe, ich muss mein Institut schließen“, sagt Wiebke Louven, die am Rande der Altstadt seit vielen Jahren ihr Mühlen-College betreibt. Beim lokalen Schulungsanbieter für Smartphone- und PC-Coaching melden sich erfahrungsgemäß viele ältere Semester an. Die möchte Wiebke Louven dem Risiko einer Ansteckung nicht aussetzen, sodass die Schulungsräume auf längere Zeit verwaist sind. „Es ist nicht zu erwarten, dass es demnächst wieder anzieht“, sagt die 41-Jährige. Wiebke Louven orientiert sich um und spezialisiert ihr Unternehmen auf Digitales und Online, wo weniger Publikumsverkehr herrscht. „Uns Kleinunternehmer trifft es hart. Im Freundeskreis haben viele ähnliche Probleme“, sagt die Kempenerin.

Psychosoziale Betreuer müssen nun mehr Aufgaben übernehmen

Ganz anderer Natur sind die Auswirkungen, die das Coronavirus bei einem Unternehmen wie dem Wegweiser Betreuungsdienst hat. „Wir arbeiten an Notfalleinsatzplänen, weil wir verpflichtet sind, die Versorgung unserer Klienten in der psychosozialen Betreuung sicherzustellen“, sagt der Geschäftsführer Detlev Schürmann. Für die Mitarbeiter bedeutet dies, dass sie zusätzliche Aufgaben – etwa in der somatischen Pflege – übernehmen müssen und vor einem Bündel unbeantworteter Fragen stehen, entsprechend verunsichert ihrer Arbeit nachgehen.

„Für bis zu 15 Schulkinder bieten wir ab sofort einen kostenlosen Mittagstisch“, berichtet Hirschmann mit Blick darauf, dass die Schulen im ganzen Land wegen der hohen Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus geschlossen sind.