Spendenaufruf Cousine startet Crowdfunding für schwerbehinderten Max aus St. Hubert

Kempen · Seit einer Gehirnentzündung ist der kleine Maximilian aus St. Hubert schwerbehindert. Damit ihn seine Mutter nicht täglich mehrfach die Treppe zur Wohnung hochtragen muss, haben seine Cousins nun eine Crowdfunding-Aktion gestartet.

Nach einer Enzephalitis im Alter von zwei Jahren ist der kleine Maximilian aus St. Hubert schwerbehindert. Seine Cousine Lena Kisker sammelt über eine Spendenplattform im Internet Geld, um für den Siebenjährigen einen Aufzug zu bauen.

Foto: Norbert Prümen

(biro) Zunächst sah alles so aus, als hätte der kleine Maximilian eine normale Erkältung. „Er war im ersten Kindergartenjahr, da weiß man, dass die Kinder viele Infekte haben“, erinnert sich Jennifer Audehm. Doch schon am zweiten Tag konnte Maximilian, damals zwei Jahre und neun Monate alt, nicht mehr stehen. Sie fuhr mit dem Jungen zum Kinderarzt, ins Krankenhaus. Anfangs glaubten auch die Ärzte an einen gewöhnlichen Infekt. Doch dann konnte das Kind den Kopf nicht mehr halten, hatte Fieberkrämpfe. Die Mutter fuhr mit ihrem Sohn wieder ins Krankenhaus. „Als die Ärztin ihm den Schnuller wegnahm und er, als er danach greifen wollte, gut 30 Zentimeter daneben griff, wusste sie, dass das kein normaler Infekt ist, dass etwas nicht stimmt“, erzählt Jennifer Audehm.

Weitere Untersuchungen folgten. Bei der Vorbereitung für eine Elektroenzephalografie, mit der die Aktivität des Gehirns gemessen wird, fiel Maximilian ins Koma. „Es ging alles ruckzuck, von jetzt auf gleich“, sagt die heute 30-Jährige. „Erst als man uns im Krankenhaus einen Zettel hinlegte, wissen wollte, ob wir mit einer Organspende einverstanden wären, wenn man die Apparate abschalten müsste – da habe ich begriffen, was los ist. Als Mutter ergibt das für einen ja anfangs gar keinen Sinn, das war zu dem Zeitpunkt alles gar nicht greifbar für mich.“

Maximilian hatte eine Enzephalitis. Das ist eine Entzündung des Gehirns, die beispielsweise durch eine Virusinfektion verursacht werden kann, etwa durch Masern, Mumps oder einen Zeckenbiss. Aus dem tiefen Koma gelangte Maximilian ins Wachkoma, aus dem Krankenhaus in eine Reha-Klinik. Als er wieder nach Hause entlassen wurde, war er drei Jahre alt. Und schwerbehindert.

Heute ist Maximilian sieben Jahre alt und seit einem Jahr ein Schulkind. Auf seiner Schultüte klebte „Feuerwehrmann Sam“ aus Pappe. Zunächst besuchte er den Kindergarten des Heilpädagogischen Zentrums in Hochbend in Anrath, jetzt lernt er an einer LVR-Schule in Krefeld. Über einen Sprachcomputer soll er bald auch mit seiner Umwelt besser kommunizieren können. Er kann nicht sprechen, nicht laufen, nicht sitzen: Die Muskulatur hält das Rückgrat nicht aufrecht – wird das Kind nicht gehalten, sinkt es zusammen. Ein Korsett hält den Rücken gerade, doch Mutter Jennifer Audehm weiß, dass er irgendwann in den kommenden Jahren am Rücken operiert werden muss, weil sich die Wirbelsäule verdreht, sich der Brustkorb verschiebt. „Kognitiv ist er voll da“, sagt die Mutter. Doch durch die Enzephalitis wurde das Gehirn so stark geschädigt, dass es den Körper und seine Bewegungen nicht steuern kann.

Mehrfach am Tag trägt die Mutter den kleinen Maximilian die Treppe zur Wohnung im ersten Stock hinauf und hinunter. Die Alleinerziehende, die mit dem elfjährigen Felix noch einen zweiten Sohn hat, lebt in St. Hubert in einem Haus, das ihr Schwager gekauft hat. Im Erdgeschoss wohnen die Großeltern, die der jungen Mutter eine große Hilfe sind. Ohne einen Pflegedienst kümmert sie sich Tag und Nacht um ihre Kinder, insbesondere um Maximilian, der so viel Aufmerksamkeit braucht: „In das Pflegerische bin ich reingewachsen.“

Nachts lagert die Mutter
ihren Sohn zweimal um

Nachts steht sie zweimal auf, um ihn anders zu lagern – der Körper bekommt leicht Druckstellen, so schnell, dass schon eine Falte in der Kleidung ausreichen kann, um eine Druckstelle zu verursachen. Deshalb steht sie auf, lagert das Kind anders, legt sich wieder hin. Die Handgriffe dazu zeigte man ihr in der Reha-Klinik, Ärzte wiesen sie in die Dosierung der starken Medikamente ein, die Maximilian bekommt, damit beispielsweise seine Muskulatur nicht verkrampft. „Er ist sieben Jahre alt, aber mit einem Kleinkind vergleichbar“, sagt die St. Huberterin. „Er muss gefüttert, etwas zu Trinken angereicht bekommen, auf den Toilettenstuhl gesetzt werden, im Rollstuhl geschoben werden, weil er ihn selbst nicht bewegen kann.“

17 Kilogramm wiegt Maximilian jetzt. Noch kann sie ihn tragen, doch klar ist auch: Er wird wachsen, schwerer werden. Auch der Rollstuhl ist schwer. Deshalb überlegte die Familie, was helfen könnte, damit die Mutter das Kind nicht immer in den ersten Stock tragen muss. „Ein Treppenlift ist in Maximilians Fall nicht möglich, da er sich nicht selbstständig in einer Sitzposition halten kann“, sagt Lena Kisker. Mit ihrem Bruder Tim (19) kam die 16-jährige Cousine von Maximilian auf eine Idee: Über die Spendenplattform „GoFundMe“ sammeln die beiden seit Sonntag Spenden, um den Bau eines Aufzugs am Haus zu ermöglichen. Bis Mittwochabend kamen bereits mehr als 3000 Euro zusammen. Rund 35 000 Euro würde der Aufzug kosten, sagt der Vater der beiden jungen Spendensammler, Holger Kisker (44). Der Aufzug sei deshalb so teuer, weil bei der Höhe der Plattform nur ein geschlossenes Modell in Frage komme. Hinzu kämen die Kosten für die Stromverkabelung und das Fundament, was Kisker in Eigenleistung stemmen will. Von der Krankenkasse könnten 4000 Euro hinzukommen, hofft die Familie.

Die Wohnung mit den Großeltern tauschen? Das sei schwer möglich, sagt Jennifer Audehm: Die Wohnung der Großeltern sei klein, ihre Wohnung im ersten Stock hingegen für Maximilians Bedürfnisse bereits barrierefrei und behindertengerecht umgebaut. Auch umziehen ist keine Option: Die Nähe zur Familie ist wichtig, denn die Großeltern, der Schwager mit Familie, die Cousinen und Cousins sind eine große Unterstützung für die Mutter. Und: „Wir sind hier im Dorf zu Hause. Hier fühlen wir uns wohl, hier kennt man sich.“

Überall im Wohnzimmer hängen bunte Ballons, die Maximilian so mag. Er mag auch Pferde – eine Reittherapie gehört wöchentlich zum Programm –, schwimmen und Freizeitparks. „Er ist ein richtiger Adrenalin-Junkie“, sagt Jennifer Audehm und lacht. „Wir fahren gern in die Niederlande, ins Toverland, da hat er so viel Spaß.“ Dass er die Wildwasserbahn liebt, sieht die Mutter an seinen Augen. Über die Augen kommuniziert er, sagt mit einem Klimpern Ja oder Nein. „Er ist ein total aufgeweckter, lebenslustiger Siebenjähriger“, sagt die Mutter.

Durch seine Erkrankung habe sich das Leben sehr verändert. „Es ist nicht schlechter geworden, aber anders. Ich sage immer, Max hat einiges zu erledigen, sonst könnte ich mich damit nicht arrangieren. Wir haben ein gutes Leben.“