Kreis Viersen G9: Gegen eine kurzfristige Rolle rückwärts
Die Redaktion hat Meinungen zum Volksbegehren für eine Rückkehr zum „Abitur nach 13 Jahren“ gesammelt.
Kreis Viersen. Soll es an Schulen mit dem sogenannten Turbo durch den Bildungsgang G8 weiter gehen? Oder sollen die Schulen flächendeckend zurück zu G9, also die Abiturprüfung nach 13 Jahren (vier Grundschuljahre plus neun auf der weiterführenden Schule) durchführen?
Ist der Weg zu G9, den Eltern, die Schulstress und Überlastung ihrer Kinder beklagen, über das gerade angelaufene Volksbegehren anstreben, der richtige?
Oder ist der Weg anderer G9-Befürworter, die in einem Gesetzgebungsverfahren mehr Spielräume für Diskussion sehen und sich gegen eine Unterrichtskürzung in der Sekundarstufe I aussprechen, der gangbarere?
Die Redaktion hat Sie um Ihre Meinung gebeten und ist weiter offen für Stimmen, denn das Thema wird uns auch in den Städten im Kreis weiter begleiten. Hier eine Auswahl:
Ursula Wagener aus Willich
Ursula Wagener aus Willich hat sich gemeldet: Sie gehört „absolut zu den Unterstützern von G9. Schon bei der Einführung (von G8, die Red) war ich eher skeptisch, bin allerdings damals davon ausgegangen, dass dann auch der Lehrplan entsprechend angepasst wird. Zu meinem Entsetzen musste ich dann in den folgenden Jahren die Flickschusterei der jeweiligen Politiker bestaunen! Es ist immer wieder das Gleiche, egal welche Landesregierung gerade verantwortlich ist: Abschaffung der Schulkindergärten, G8, Einführung der Inklusion. Jedes Mal geht es mit dem Brecheisen von jetzt auf gleich, vom Schreibtisch aus, ohne vernünftige Vorbereitung, ohne genug Vorlaufzeit, ohne die Bedürfnisse der Kinder (. . .) zu berücksichtigen.“ Reformen, betont Ursula Wagener, könne sie so etwas nicht nennen, „zumal es jedes Mal zum Nachteil der meisten betroffenen Kinder geht. G8 ist sicher für einige Überflieger das richtige, für die meisten Kinder, meiner Meinung nach, aber nicht. Ich werde mich deshalb gleich auf den Weg machen und das Begehren unterschreiben, zum Schutz künftiger Schülergenerationen!“
Angela Krumpen aus Vorst hat sich im Gespräch mit der WZ dafür ausgesprochen, dass Kinder, die Abitur machen möchten, „zwischen G8 und G9 wählen können“.
Hermann Kamp, Schulpflegschaftsvorsitzender des Michael-Ende-Gymnasiums in St. Tönis, kündigt an, dass das Thema G8/G9 im Rahmen der nächsten Schulpflegschaftssitzung des MEG im März diskutieren wird. Dann werde „zunächst ein Meinungsbild der Elternvertreter unserer Schule zu einer möglichen Rückkehr zu G9“ eingeholt. Dieser Einschätzung wolle und könne er daher nicht vorgreifen.
Seine persönliche Meinung zu einer möglichen Rückkehr zu G9 an den Gymnasien in NRW hat er bereits gefasst und formuliert: „Eine kurzfristige Rolle rückwärts zum Abitur nach neun Jahren befürworte ich persönlich nicht. G8 in NRW wurde meines Erachtens zwar ohne pädagogische Notwendigkeit eingeführt, allerdings hat sich zum Beispiel das MEG zwischenzeitlich gut auf die geänderten Anforderungen eingestellt.“ Darüber hinaus seien, so Kamp, Schüler insbesondere durch klarere Regelungen für Hausaufgaben, Lernzeiten und Klassenarbeiten sowie die Anpassung von Lehrplänen entlastet worden.
„Einzelne Beweggründe der G9-Befürworter kann ich nachempfinden (z. B. besseres Bildungsniveau), sehe allerdings - aus eigener Erfahrung als Vater eines G8-Abiturienten und aus Gesprächen im Freundes- und Bekanntenkreis einige der Argumente (z. B. zu wenig Freizeit, Einschränkungen bei den Hobbys, Überforderung) auch kritisch. Sollte sich NRW nach den Landtagswahlen gegen das „Turbo-Abi“ entscheiden, würde ich persönlich eine flächendeckende Rückkehr zu G9 an den Gymnasien nach niedersächsischem Muster favorisieren. Eine generelle Wahlfreiheit der Schulen oder eine flexible Länge der Schulzeit an den Gymnasien würde wieder für viel Unruhe sorgen und zu Unsicherheiten bei allen am Schulleben Beteiligten führen. Schulpolitik braucht Verlässlichkeit und Kontinuität und darf nicht auf dem Rücken unserer Kinder ausgetragen werden.“
Hermann Kamp aus Tönisvorst
Auf unseren Aufruf via Facebook hat Helmut Schmitz reagiert und diesen Kommentar abgegeben: „ Ich sehe es in erster Linie kritisch, was in welchem Umfang gelehrt wird. Wenn man in manchen Bereichen nur die wichtigen Grundlagen vermittelt (teilweise ist man damit spätestens nach Klasse 6 durch) und andere Fächer ganz streicht oder im Nachmittagsbereich auf freiwilliger Basis anbietet (Sport und Schwimmen) ist es möglich, dass die Schüler an den fünf Wochentagen spätestens um 14 Uhr Schulschluss haben.“
Monika Schütz-Madré, Stadtverordnete und Ortsverbandsvorsitzende in Kempen, meldet sich als Sprecherin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Schulausschuss per Email zu Wort. „Volksbegehren: Der richtige Weg zurück zu G 9? Volksbegehren sollten eine der Möglichkeiten für mehr Demokratie sein. Das kann ich unterstützen, aber nicht, wenn sie so formuliert sind, dass der Inhalt der Abstimmung verschleiert wird.“ Das sei hier der Fall. Das Volksbegehren sei nicht eines für G 9, „sondern eines, das den anderen Schulformen Mittel zugunsten des (längeren) Gymnasiums wegnimmt“. Wer dieses Volksbegehren unterschreibt, unterschreibe nicht einfach für einen Volksentscheid für G 9, sondern für einen konkreten Gesetzentwurf der Initiative. Die sehe vor, „dass zur Finanzierung an den anderen Schulformen Stunden gestrichen werden, die vor allem der individuellen Förderung dienen. Deshalb hat selbst die Landeselternschaft der Gymnasien von der Unterschrift abgeraten (obwohl sie für G 9 ist), ebenso die vielen Stadtschulpflegschaften und die Landesschülervertretung.“
Monika Schütz-Madré aus Kempen
„Es kann doch wohl niemand wollen (oder doch?), dass die zusätzliche Lernzeit für die Gymnasiasten erkauft wird durch die Kürzung der Unterrichtskapazitäten in den anderen Schulformen.“ G 8 nun zurück abzuwickeln, meint Schütz-Madré, wäre ein Schritt in die Vergangenheit. Für sinnvoller hält sie jetzt die Einführung von flexibler Lernzeit an allen Schulen, so wie es schon an einigen Gymnasien und Gesamtschulen in Nordrhein-Westfalen praktiziert werde.