Kempen Große Zustimmung, aber viel Kritik
Kempen. · Die Fraktionen des Stadtrates stehen hinter dem Haushaltsentwurf von Kämmerer Jörg Geulmann. Nahezu alle Parteien mahnen aber mehr Initiative der Verwaltung in vielen Themen an. Im Fokus stehen Personalentwicklung und bezahlbarer Wohnraum.
Die Fraktionen des Stadtrates stehen alle hinter dem Haushaltsentwurf für 2019 von Kämmerer Jörg Geulmann. Einstimmig erhielt das Zahlenwerk, das ein Jahresminus von 5,5 Millionen Euro aufweist, grünes Licht. Nichtsdestotrotz gibt es vonseiten der Politik auch einige Bedenken gegen die Herangehensweise der Verwaltung in einigen Bereichen. Das wurde in den Haushaltsreden der Fraktionsvorsitzenden deutlich.
CDU erkennt 2019 als
„Jahr des Anpackens“
Die prognostizierte Deckungslücke und die Vorhersagen bis 2022 vesprechen laut CDU-Fraktionschef Wilfried Bogedain zwar nichts Gutes. Dennoch finden die Christdemokraten, dass der Haushalt 2019 Chancen eröffnet. Es würden deutliche Akzente gesetzt. „Nach Jahren des Abwartens, Prüfens und Abwägens kann das Jahr 2019 nach unserer Auffassung das Jahr des Anpackens werden“, so Bogedain. Als Beispiele nannte der Fraktionschef die Investition von einer Million Euro, um die Kindertagesstätten neu auszustatten. Bogedain mahnte aber auch, dass die Schulen nicht vergessen werden dürfen. Sowohl die langfristige Sanierung (Stichwort Schul-Campus) als auch kurzfristige und dringend notwendige Ausgaben müsse die Verwaltung im Blick haben.
Im Bezug auf das Thema bezahlbarer Wohnraum stellte Bogedain in Aussicht, dass die CDU sich vorstellen kann, „in einen eigenen städtischen Wohnungsbestand einzusteigen“. Ferner sei die Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft (GWG) des Kreises Viersen ein Partner, um beispielsweise im Kempener Westen bezahlbaren Wohnraum schaffen zu können. Eigentums- und Mietwohnungen sollten im Westen neben Einfamilienhäusern ihren Platz finden. Dazu müsse die Planung weiter vorangetrieben werden.
SPD: Wohnraum-Bemühungen sind nur „heiße Luft“
Das Bemühen der CDU und von Bürgermeister Volker Rübo (CDU) beim Thema Wohnen stieß bei SPD-Fraktionschef Andreas Gareißen auf Kritik: „Wie schon im Wahlkampf vor vier Jahren handelt es sich wahrscheinlich dabei wieder nur um heiße Luft, um Schaufensterreden.“ Der jüngst gefasste Beschluss zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum sei zu unkonkret. Gareißen betonte, dass Kempener inzwischen gezwungen seien, in andere Städte und Gemeinden zu ziehen, weil das Wohnen in der Thomasstadt zu teuer sei. „Eine Gesellschaft besteht nicht nur aus Personengruppen, die Einkommen im sechsstelligen Bereich haben“, so Gareißen.
Ein weiterer Kritikpunkt der SPD: die Personalplanung der Verwaltung. Zum einen seien die Personalkosten zu hoch. Und das an Stellen, „die wir in gewissem Maße beeinflussen können“, so Gareißen. Zum anderen fehle in der Verwaltungsführung weiterhin der Wille zur Veränderung. Kämmerer Geulmann habe in vielen Passagen seiner Haushaltsrede selbstkritisch Verbesserungen in Personalplanung und -führung gefordert. Zudem lägen nach der Verwaltungsstrukturprüfung Vorschläge auf dem Tisch. „Zurzeit fehlt mir aber noch der Glaube, dass es ein ernsthaftes Interesse gibt, diese Feststellungen umzusetzen“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende.
Grüne fordern nachhaltige Konzepte beim Thema Bauen
Grünen-Fraktionschef Joachim Straeten kritisierte rückblickend, dass die Verwaltung in den vergangenen Jahren vieles auf die lange Bank geschoben habe. Insbesondere bei den technischen Standards falle den Verantwortlichen dies nun vor die Füße. „Dennoch glaube ich, dass wir jetzt immer noch die Möglichkeit haben, den Schalter auf Zukunft umzustellen“, so Straeten. Dazu bedarf es aber nachhaltiger Konzepte. Sowohl beim Thema Schul-Campus als auch bei der Entwicklung des Kempener Westens müsse vorausschauend geplant werden. Dabei müsse eine Kommune wie Kempen auch klimapolitische Aspekte im Blick haben. „Wir regen an, uns ernsthaft darüber Gedanken zu machen, den Kempener Westen in seiner Ganzheit im Sinne eines ressourcenschonenden Wohnquartiers zu entwickeln“, sagte Straeten.
Mit Blick auf das Verwaltungspersonal stellte Straeten heraus, dass die Mitarbeiter die „wichtigste Ressource“ der Stadt seien. Deshalb müssten die Grünen-Anträge zu Personalbedarf und -entwicklung umgesetzt werden. Außerdem müssten die digitalen Angebote der Verwaltung ausgeweitet werden.
FDP: Personalentwicklung ist in Kempen noch ein Fremdwort
„Personalentwicklungskonzept, Führungskräftekonzept, Nachwuchsentwicklungskonzept – das sind bisher Fremdwörter in der Verwaltung in Kempen“, sagte FDP-Fraktionsvorsitzende Irene Wistuba. Konzepte seien vor allem vonnöten, weil in den kommenden Jahren zahlreiche Amtsleiter in den Ruhestand gehen. Im Zusammenhang mit dem Thema Personal unterstützt die FDP einen Antrag der Grünen, die Stelle eines Wirtschaftsförderers zu schaffen.
Mit Blick auf die zukunftsweisenden Aufgaben „Kita-Ausbau, Schulen- und Sportstätten-Sanierung, Rathaussanierung, Sanierung Burg und Begegnungszentrum St. Hubert“ mahnte Wistuba dies alles mit Augenmaß anzugehen: „Wir dürfen unseren Kindern und Enkeln keinen übermäßigen Schuldenberg überlassen.“
Freie Wähler fordern mehr Tempo bei der Schulsanierung
Beim Thema Kosten nahm Udo Kadagies, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler Kempen (FWK), auch das städtische Personal in den Fokus. Die Ergebnisse der Strukturuntersuchung sollten genutzt werden. Der Stellenzuwachs sei auf das Nötigste zu beschränken. Nichtsdestotrotz begrüßten die FWK die Schaffung der aktuell eingeplanten Stellen. Insbesondere im Bauamt sei dies vonnöten.
Bei der Sanierung der Schulen forderte Kadagies schnelle Lösungen. „Dass es für die Oberstufe der Gesamtschule noch keine Räumlichkeiten gibt, ist für die Schulstadt Kempen geradezu beschämend“, so Kadagies. Zudem dürften die Schulen nicht von der Digitalisierung abgekoppelt werden. Zum kommenden Schuljahr solle überall WLAN zur Verfügung stehen.
Die Linke: Verschieben der Rathaussanierung fragwürdig
Günter Solecki (Die Linke) lobte Kämmerer Jörg Geulmann, dass der Haushalt nun „endlich mal“ rechtzeitig verabschiedet werden konnte. In den vergangenen Jahren ist der Kempener Etat erst im Frühjahr verabschiedet worden. Endlich seien den Fraktionen Rückschlüsse und Analysen möglich, so Solecki. Kritik übte er daran, dass die Einnahmeseite von Geulmann und Rübo zu vorsichtig eingepreist sei. „Wir könnten die Einnahmen noch um 3,5 Millionen Euro hochsetzen und würden uns immer noch im Rahmen der Werte befinden, die Land und Kreis als Richtschnur der Steuereinnahmen vorsehen.“
Kritisch sieht Solecki auch die Entscheidung, die Sanierung des Rathauses bis auf weiteres auf Eis zu legen. Dies hatte Dezernent Marcus Beyer schon im Sommer verkündet, weil andere Aufgaben Priorität hätten. Um für den Kauf der drei Bürohäuser am Bahnhof zu werben, habe Bürgermeister Rübo das Argument ins Feld geführt, dass nur so das Rathaus am Buttermarkt für eine Sanierung leergezogen werden könne, sagte Solecki. Dass dies nun nach der Entscheidung des Technischen Beigeordneten nicht mehr gelten soll, stieß dem Linken-Chef sauer auf.
Caniceus kritisiert den Zustand des städtischen Museums
Auch der fraktionslose Jeyaratnam Caniceus mahnte in seiner Rede viele Baustellen an. Unter anderem beim bezahlbaren Wohnraum. „Der Kempener Wohnungsmarkt darf kein Selbstbedienungsladen für einflussreiche und spendable Immobilienhaie sein“, sagte der frühere Grüne. Eine städtische Wohnungsbaugesellschaft könnte mehr Zug reinbringen. Scharfe Kritik übte Caniceus an der Tourismus-Förderung: „Der Tourismus-Hotspot im Museum ist ein Rohrkrepierer, wird mehr und mehr zur Lachnummer. Das Kulturforum ist eine Dauerbaustelle.“