Großes Glück in großer Not
Birgit Linder aus Kempen kämpft um ihre Existenz und mit dem Jobcenter. Im Freundeskreis erfährt sie immense Unterstützung.
Kempen. Jeder kennt wohl diese Tage. Da möchte scheinbar nichts gelingen. Erst hat man kein Glück und dann kommt noch Pech dazu, sagt man so schön. Birgit Linder kennt das Gefühl schon länger. Trotzdem packt sie ihr Leben zuversichtlich an und möchte auch anderen Menschen mit ihrer Geschichte Mut machen. Daher wandte sie sich an die WZ.
Vor gut fünf Jahren bekam die Yoga-Lehrerin, die auch einen kleinen Verlag betreibt, unerklärliche Schmerzen, vor zwei Jahren wurde Borreliose diagnostiziert. Ein unerkannter Zeckenbiss sorgte für Komplikationen. Schubweise hat sie starke Schmerzen und kann ihren Beruf nicht mehr so ausüben, wie sie möchte. Auch aufs Herz sei die Krankheit bereits geschlagen.
Dazu kam dann noch Ärger mit dem Jobcenter: Dieses suchte sie im Januar 2017 auf. Von der Unterstützung konnte sie ihre Miete bezahlen — bis Juni 2017. Dann war Schluss. Das Amt forderte von Birgit Linder Unterlagen ein. An zwei Dokumente kam sie nach eigener Aussage zunächst nicht heran: ein Sparvertrag der Tochter und die Kreditunterlagen zu einer Eigentumswohnung, die sie mit ihrem Ex-Mann gekauft hatte. Dieser und auch seine Bank wollten die benötigten Papiere nicht herausgeben. Erst nach zweimaliger Aufforderung durch eine Rechtsanwältin erhielt sie diese. Über ihre Bemühungen habe sie das Jobcenter der Arge informiert. Zudem habe sie einen Grundbuchauszug vorgelegt, aus dem ersichtlich wird, dass Schulden auf der Wohnung liegen, diese also nicht verwertbar ist.
Dann wurde ihr die Mietwohnung gekündigt. Weil sie die Miete nicht mehr bezahlen konnte, folgte eine Räumungsklage. Im Mai mussten Birgit Linder und ihre 16-jährige Tochter ihr Zuhause verlassen. Zunächst zog sie kurzfristig zu ihrer älteren Tochter, mittlerweile ist sie bei Freunden untergekommen. Ihr Hab und Gut hat sie bei Freunden untergebracht. Anderes musste sie wegschmeißen. Krankenversichert ist sie zurzeit nicht. Ihr Auto musste sie verkaufen.
Auf Anfrage der WZ schildert das Jobcenter Kreis Viersen den Fall von Birgit Linder ausführlich. Nachdem sie einen Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab 1. Juli 2017 eingereicht habe, habe man prüfen müssen, ob sie auch wirklich bedürftig ist. Doch dafür hätten immer wieder Unterlagen gefehlt. Zwar seien immer wieder Unterlagen eingereicht worden, diese seien jedoch nicht vollständig gewesen und hätten teilweise nicht den angeforderten Unterlagen entsprochen. Seit November lief ein Widerspruchsverfahren. Nachdem die fehlenden Unterlagen sukzessive eingereicht worden seien, habe man nun der Versagungsbescheid aufheben können, so das Jobcenter. „Bei rechtzeitiger Vorlage der Unterlagen durch Frau Linder und einer dadurch nachgewiesenen Hilfebedürftigkeit, wäre es möglich gewesen, unverzüglich eine vorläufige Bewilligung vorzunehmen, weitere Hilfen zu gewähren und dadurch gegebenenfalls auch eine Räumungsklage abzuwenden“, heißt es vom Jobcenter.
Für Birgit Linder ist das Verhalten des Amtes „Schikane“. „Alle Unterlagen, die ich einreichen konnte, und das war fast ein ganzer Aktenordner — alle Unterlagen über meine gewerbliche Tätigkeit, meine eigenen Versicherungsunterlagen, Auflistungen zum Lebensunterhalt, Grundbuchauszug, Bescheinigungen von meinen Ärzten etc. — habe ich unverzüglich eingereicht! Und nicht sukzessive. Anhand dieser Unterlagen konnte man durchaus meine bzw. unsere Hilfebedürftigkeit sofort erkennen“, so Birgit Linder. Mittlerweile hat sie einen Teilerfolg erzielt und zumindest eine Teilzahlung für den Zeitraum von Juli bis Dezember 2017 erhalten.
„Trotz meiner Erkrankung habe ich weitergearbeitet und konnte in dem zurückliegenden Jahr meine Umsätze steigern“, berichtet sie. Sie bietet Yoga-Kurse und Lesungen aus ihren Büchern an. Ihre Bücher und Spruchkarten werden in „mo’s Bücherkiste“ in St. Hubert verkauft. Es sei allerdings sehr erschwerend, durch die Ereignisse mit dem Jobcenter gesund zu werden. „Die ständigen Aufregungen behindern mein Vorankommen, anstatt es zu fördern. Der Stress und Ärger mit dem Jobcenter, verstärken meine Borreliose-Schübe“, so die 55-Jährige.
„Ich hole meine Kraft aus dem Yoga und verwandle meinen Zorn in positive Energie“, sagt sie. Dass sie gar kein Glück hat, kann man auch nicht wirklich sagen. „Ich habe Glück, dass ich so tolle Freunde habe“, sagt sie und versprüht trotz ihrer schwierigen Situation eine große Lebensfreude.
Wer mit Birgit Linder in Kontakt treten möchte, erreicht sie per E-Mail:
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