Hülser Straße Kempen: So geht’s weiter im Linden-Streit
Kempen · Über die geplanten Baumfällungen an der Hülser Straße wird emotional gestritten. Dabei ist final noch gar nichts beschlossen. Die WZ erklärt den Sachstand.
Große Aufregung, viele Emotionen, eine Menge Ärger – so ist die Gefühlslage der Menschen, die sich für den Erhalt von mehreren Linden an der Hülser Straße in Kempen einsetzen. Wie berichtet, hat die Stadtverwaltung im Ausschuss für Umwelt, Planung und Klimaschutz (UPK) in einem ersten Schritt die Mehrheit von CDU, SPD, FDP und Freien Wählern Kempen (FWK) zur Fällung der Linden bekommen, um einen Kreisverkehr zur Erschließung eines neuen Gewerbegebietes zu bauen.
Nur die Grünen stimmten gegen die entsprechende Aufstellung eines Bebauungsplans. Daher forderte die Fraktion schon kurz nach der Sitzung die Aufhebung des Beschlusses, weil Abwägungsmängel bestünden. Auch die Naturschützer des BUND kritisieren das Vorgehen der Stadt Kempen. Was im Verwaltungsakt „Hülser Straße“ bislang passiert und wie der Stand der Dinge ist, wissen bzw. verstehen aber vermutlich nur die wenigsten. Zeit für eine sachliche Analyse der Lage.
Was bedeutet der Beschluss des UPK vom 23. September?
Auf jeden Fall noch nichts endgültiges. Die Stadtverwaltung hat die politische Mehrheit zur Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans erhalten. Die Verwaltung und die Fraktionen von CDU, SPD, FDP und FWK sehen den Kreisverkehr in Höhe der Heinrich-Horten-Straße als einzig gangbare Lösung an. Daher sollen die Linden – laut „Konfliktkarte“ der Stadt sind es 16 Bäume – weichen. Im Gegenzug verpflichtet sich die Stadt zu Ausgleichspflanzungen. Auf Druck aller politischen Fraktionen sollen diese an der Hülser Straße höher ausfallen als gesetzlich vorgeschrieben.
Im Rahmen der Aufstellung des B-Plans läuft nun eine sogenannte Offenlegung. Diese dauert vier Wochen. Während dieser Zeit haben unter anderem Träger der öffentlichen Belange Einblick in die Pläne.
Diese Träger – unter anderem die Untere Naturschutzbehörde des Kreises Viersen – werden dann eine Stellungnahme abgeben. Darin könnte die Naturschutzbehörde Bedenken gegen den Plan erheben. „Ob eine so weitgehende Fällaktion, wie jetzt geplant, für die Erschließung des Gewerbegebietes notwendig ist, wird nun im weiteren Verfahren geprüft“, teilt der Kreis Viersen auf WZ-Anfrage mit. „Dem Vortrag der Stadt Kempen, wozu auch eine belastbare Alternativenprüfung gehört, möchte der Kreis aber nicht vorgreifen.“ Im bisherigen Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans hatte es keine Bedenken seitens diverser Träger gegeben. Details zur Fällaktion waren aber noch kein schriftlicher Bestandteil des Verfahrens.
Was passiert, wenn Bedenken gegen den Bebauungsplan erhoben werden?
„Grundsätzlich warten wir nun die Stellungnahmen aller Träger öffentlicher Belange ab“, sagt Kempens Bürgermeister Volker Rübo. Dann werde sich zunächst der UPK und im Anschluss der Stadtrat damit befassen. Frühester Termin dafür wäre die UPK-Sitzung am 25. November. „Dann ist es Sache der Politik, mögliche Bedenken mit dem Vorhaben der Verwaltung abzuwägen und eine Entscheidung zu treffen“, so Rübo. Derzeit ist also keineswegs beschlossen, dass die Bäume fallen werden. Dies wäre aus behördlicher Sicht erst dann festgezurrt, wenn der Bebauungsplan tatsächlich verabschiedet ist.
Was kann die Grünen-Forderung zur Aufhebung des Beschlusses bewirken?
Zunächst nicht viel, weil – wie soeben beschrieben – auch noch nicht viel beschlossen worden ist. Die Grünen haben den Bürgermeister aufgefordert, den Beschluss aufzuheben, weil sie Abwägungsmängel erkannt haben wollen. Aus Sicht der Fraktion hat der Kreis Viersen bereits im Rahmen des Verfahrens zum Flächennutzungsplan den Hinweis gegeben, zur Erschließung „vorhandene Lücken ohne Gehölzbestand entlang der Hülser Straße zu nutzen“ und so die „schützenswerte“ Lindenallee zu erhalten. Dieser Hinweis sei dann von der Stadt Kempen nicht ausreichend gewürdigt worden, so die Grünen.
Die Fraktion hat die Forderung an Bürgermeister Rübo und den Kreis Viersen geschickt. Rübo hat nach eigenen Angaben inzwischen die Aufforderung erhalten, sich dazu zu äußern. „Dieser werde ich nachkommen“, sagt der Bürgermeister. Fakt ist, dass derzeit nur er selbst Herr in diesem Verfahren ist. Er kann den Beschluss des UPK beanstanden bzw. aufheben oder eben nicht. Sollte keine Aufhebung erfolgen, behalten sich die Grünen den Gang zum Verwaltungsgericht vor. Aber – wie schon geschrieben: Viel Konkretes kann noch gar nicht aufgehoben werden.
Welche Rolle spielt der Kreis Viersen im gesamten Verfahren?
Bei den Aspekten des Naturschutzes ist der Kreis über die Untere Naturschutzbehörde beteiligt und kann Bedenken äußern. Ebenso fungiert der Kreis Viersen im Rahmen der Kommunalaufsicht als Aufsichtsbehörde. Neben dem von den Grünen angestrengten Verfahren kann der Kreis auch im Rahmen der Rechtsaufsicht tätig werden. Allgemein heißt es dazu aus dem Kreishaus: „Wenn die Rechtsaufsicht von einem rechtsfehlerhaften Ratsbeschluss Kenntnis erlangt, kann sie auch aus eigenem Antrieb tätig werden. Hier hat der Kreis ein Ermessen, ob und wie er einschreitet.“ Zum konkreten Fall an der Hülser Straße äußert sich der Kreis Viersen nicht. Zunächst wolle er sich über das weitere Verfahren von der Stadt Kempen berichten lassen.
Welche Alternativen zur Erschließung sind im Spiel?
Unter anderem auf Initiative von Naturschützern hat sich die Stadt mit zwei Alternativen auseinandergesetzt. So geht es um einen Kreisverkehr auf der Kreuzung Hülser Straße/Außenring (B 509). Nach Angaben der Stadt ist dieser Vorstoß nahezu aussichtslos. Zum einen würde der Landesbetrieb Straßen als Träger der Umgehungsstraße nicht mitspielen. Zum anderen sei ein Kreisverkehr mit fünf oder sechs benötigten Ausfahrten mit weiteren Grundstücksmaßnahmen und Flächenverdichtungen verbunden.
Die zweite alternative Lösung ist aus Sicht der Linden-Befürworter ein sogenannter ovaler Kreisverkehr statt eines herkömmlichen in Höhe der Heinrich-Horten-Straße. Bei so einer Lösung müsste wohl nur eine Linde gefällt werden. Allerdings, so die Stadt, würde der ovale Kreisverkehr auch eine deutlich höhere Flächenversiegelung bedeuten. Diese sei gegenüber der Fällung aus ökologischer Sicht auch fragwürdig. Ebenso hat die Stadt verkehrstechnische Bedenken. Ein herkömmlicher Kreisverkehr habe unter anderem eine wesentlich höhere Bremswirkung für den Autoverkehr.
Was wird seitens der Naturschützer unternommen?
Zunächst steht noch ein Antrag auf der Tagesordnung der Ratssitzung am kommenden Dienstag. So hat Hans Palm einen Antrag eingereicht, die schon erwähnten Alternativlösungen umzusetzen und die Lindenallee an der Hülser Straße zu erhalten. Im Rat will die Verwaltung vorschlagen, den Antrag in der nächsten UPK-Sitzung zu behandeln.
Die Forderungen des Antrags sind zudem Bestandteil einer Online-Petition, die der St. Huberter Georg Lüdecke und weitere Mitstreiter gestartet haben. Auf einem nach eigenen Angaben unabhängigen Portal werden digitale Unterschriften für den Erhalt der Bäume gesammelt. Am Mittwochmittag gab es dort rund 1080 Unterstützer, 590 davon aus Kempen. Sollten 630 Kempener Unterschriften zusammenkommen, würde das Portal ein Quorum eröffnen. Das bedeutet, dass die Stadt eine entsprechende Anfrage bekommt.
Klar ist aber, dass das Ergebnis jedweder Petitionen im Internet nur einen symbolischen Charakter hat. Ziel ist zuallererst, den Druck auf die Handelnden zu erhöhen und Aufmerksamkeit für das Projekt zu bekommen. Letzteres ist in jedem Fall gelungen.