Kommunalwahl Kempens Kandidaten: Sachlich, fair und ein paar Spitzen
Kempen · Bei der Podiumsdiskussion im Forum St. Hubert konnten sich die Bürger ein Bild von allen vier Kempener Bürgermeisterkandidaten machen.
Am Donnerstagabend trafen die Kandidaten für das Bürgermeisteramt in Kempen erstmals bei einer Wahlveranstaltung aufeinander. Heimatverein und Werbering St. Hubert hatten das Treffen im Forum St. Hubert auf die Beine gestellt, moderiert wurde der Abend von der freien Journalistin Ulrike Gerards und dem Leiter der WZ-Niederrheinredaktion Tobias Klingen, die den Kandidaten – Georg Alsdorf (Freie Wähler), Christoph Dellmans (parteilos, aufgestellt von SPD und Grünen), Cedric Franzes (FDP) und Philipp Kraft (CDU) – zunächst selbst Fragen stellten und später auch Fragen aus dem Publikum zuließen.
Die Stimmung im Saal war recht gelöst, auch die Kandidaten blieben untereinander meist fair und sachlich. Nur rund 150 Menschen konnten aufgrund der Hygienevorschriften den Abend live verfolgen – die meisten im Saal waren allerdings wohl schon festgelegt, wo sie ihr Kreuzchen machen, denn große Teile des Publikums bestanden aus Parteivertretern aller Couleur. Umso wichtiger war es, dass der Abend auch online übertragen wurde (siehe Kasten).
Die Themen
Zunächst ging es in St. Hubert um St. Hubert, genauer gesagt um die Verkehrssituation, das Parken am Markt und das schwierige Miteinander von Rad- und Autoverkehr. Georg Alsdorf hatte als erster das Wort – und musste zugeben, dass er „keine Patentlösung“ für die Problematik habe. Man müsse aber eine finden, dazu schlug er vor, sich gegebenenfalls die Konzepte aus anderen Städten anzuschauen. Christoph Dellmans sagte, es müsse ein „weit gefächertes“ Mobilitätskonzept erarbeitet werden – für ganz Kempen. Als erste „Kleinmaßnahme“ schlug er ein Überholverbot für Fahrradfahrer in den engen Einbahnstraßen von St. Hubert vor. FDP-Mann Cedric Franzes plädierte für Fahrradstraßen, auf denen Rad- und Autofahrer gleichberechtigt unterwegs sind. Was den Markt angeht, sprach er sich für den Erhalt von Parkplätzen aus. In St. Hubert werde eher gezielt eingekauft statt „flaniert“, dazu müssten die Kunden auch parken können. Philipp Kraft stimmte dem zu. Seiner Meinung nach handle es sich aber bei den Einbahnstraßen de facto bereits um Fahrradstraßen, da ein Überholen von Fahrrädern mit dem vorgeschriebenen Abstand gar nicht möglich sei.
Als nächstes wurde die Sportplatzsituation in St. Hubert diskutiert mit dem seit Jahren geforderten – und versprochenen – Kunstrasenplatz und den Umkleiden, deren Neubau sich verzögert. Christoph Dellmans dazu: „Ich verspreche nichts, außer dass ich die Bürgerschaft mit einbeziehe.“ Es brauche ein Sport- und Sportstättenentwicklungskonzept. Er habe eine Vision außerhalb von St. Hubert. Übergangsweise schlug er vor, zunächst eine „Containerlösung“ für die Umkleiden zu schaffen. „Es gibt gute Containerlösungen.“ Cedric Franzes stimmte dem Vorschlag eines Konzeptes zu, sah aber keine realistischen Chancen, außerhalb des Ortes einen Platz zu errichten. Er forderte eine schnelle Parkplatzsanierung, den zügigen Bau der Umkleiden und dann müsse man „schauen, was mit dem Verein ist“, sprich ob der Bedarf für einen Kunstrasen wirklich da sei. Philipp Kraft argumentierte auch gegen neue „Visionen“, diese führten nur zu neuem Frust. Auch er forderte die schnelle Umsetzung des Beschlusses zu Parkplatz und Umkleiden und den Dialog mit dem Verein. Zudem könne man sich noch für Fördermittel vom Land bewerben. Georg Alsdorf stellte klar, man brauche in St. Hubert „dringend“ den Kunstrasenplatz. Er kritisierte, dass viele Kinder nur deshalb zu anderen Vereinen gingen, weil eben kein ordentlicher Platz da sei.
Wie sich die Verwaltungsstrukturen unter den jeweiligen neuen Bürgermeistern verändern müssten, dazu hatten die Kandidaten genaue Vorstellungen. Cedric Franzes bezeichnete die Strukturen als „tradiert“. Aber die Politik müsse auch ihre „Anforderungen herunterschrauben“, man müsse priorisieren, eine Fehlerkultur zulassen und die eigenen Mitarbeiter dazu ermutigen und befähigen, selbst Gutachten, Analysen und Studien zu erarbeiten, anstatt stets externe Firmen zu beauftragen. „Es muss auch nicht immer alles noch über den Tisch des Bürgermeisters gehen.“ Philipp Kraft bekräftigte, es müsse ein Blick von außen her. Ein Bürgermeister müsse vor allem steuern, managen, die eigenen Leute richtig einsetzen und Anreize liefern, auch Entscheidungen zu wagen. „Kempen braucht wieder Macher statt Verwalter“, sagte Georg Alsdorf zu dem Thema. Insgesamt arbeite die Verwaltung gut, nur die früheren Beigeordneten seien nicht zu Einigungen fähig gewesen. „In der Zukunft müssen die Bagger rollen, das Diskutieren ist vorbei.“ Christoph Dellmans sprach von dem Gutachten der Firma Allevo. Die hatte 2017 die Verwaltungsstrukturen in Kempen untersucht und umfangreiche Verbesserungsvorschläge gemacht. Aber leider seien die Ansätze, so Dellmans, „in einer Schublade verschwunden“. Er sei auch der Meinung, man habe eigene gute Leute, die Konzepte entwickeln können, sprach sich aber dafür aus, sich auch weiterhin extern beraten zu lassen. „Das tut gut.“ Zudem müsse man die Bürgerschaft mehr mitnehmen, dann verstehe diese auch besser, wenn mal etwas nicht gehe. Dellmans betonte, er habe immer Ratschläge gegeben und bedauert, dass er nie mitentscheiden konnte.
Zum Thema bezahlbarer Wohnraum stellte Philipp Kraft fest, dass es an sich ein gutes Zeichen sei, dass Kempen so gefragt und attraktiv sei – da sei auch ein gewisser Preisaufschlag gerechtfertigt. An den Kempener Westen müsse man aber anders herangehen, die Hälfte der Flächen in städtischen Besitz bringen und mit der Gemeinnützigen Wohnungssgesellschaft des Kreises (GWG) weiter zusammenarbeiten. Georg Alsdorf forderte vor allem ein Verkehrskonzept für den Westen und sagte, er wolle mit Einbahnstraßen arbeiten. Er befürwortete auch die Zusammenarbeit mit der GWG, ebenso Cedric Franzes, der allerdings argumentierte, zur Schaffung günstigen Wohnraumes helfe am Ende nur „bauen, bauen, bauen“. Und es habe nun mal nicht jeder ein Recht auf günstigen Wohnraum in der Innenstadt. Christoph Dellmans hingegen will eine eigene Wohnungsgesellschaft für Kempen, so komme man als Stadt schneller an noch mehr günstige Grundstücke.
Die Zuschauerfragen
Ein Fragesteller wollte wissen, wie die Kandidaten zum Klimaschutz stünden und ob es mit ihnen auch drei neue Rathäuser ohne Photovoltaikanlage gegeben hätte. Letzteres verneinten alle vier. Christoph Dellmans bemängelte das immer noch fehlende Klimaschutzkonzept. Georg Alsdorf verwies auf einen Antrag der Freien Wähler, auf freien Grundstücken Blumenwiesen zu schaffen.
Auf die Frage, was langfristig mit dem Königshüttesee geschehen könnte, sagte Cedric Franzes, ihm schwebe ein Park ähnlich der Blauen Lagune in Wachtendonk vor – bezweifelte allerdings selbst, dass dies realistisch sei. Man müsse den See aber öffnen. „Der Bedarf ist da.“ Ähnlich sah es Philipp Kraft. Georg Alsorf sorgte sich um die „gefährlichen Strömungen“ im See und unterstützte das Abschleppen von Autos vor Ort. Christoph Dellmans hatte die „Vision“, ein Naherholungsgebiet zu schaffen und darauf zu setzen, dass die Besucher sich gegenseitig beaufsichtigen.
Auf die Frage, wie man die Bürgerbeteiligung verbessern könnte, gab Christoph Dellmans an, er sei ein „Verfechter der Stadtteilausschüsse“ um mehr Transparenz zu schaffen – allerdings nur mit Vorschlagrecht. Zudem wolle er Sprechstunden einrichten und eine Internetplattform für Anregungen. Die anderen drei Kandidaten lehnten ein „Vorparlament“ ab, dies bringe nur Enttäuschungen. Schon jetzt sei die Politik durchaus ansprechbar und die Bürger seien in Initiativen und durch Anträge sehr aktiv.
Gleich zwei Fragen drehten sich um das Thema Digitalisierung an Schulen. Alle Kandidaten waren sich einig, dass entsprechende Fördermittel abgerufen werden müssten, um die Schulen digital aufzurüsten und die Lehrer zu schulen.
Ein Zuhörer sorgte sich um die ärztliche Versorgung in Kempen. Keiner der Kandidaten hatte einen konkreten Lösungsvorschlag parat. Man müsse mit der Kassenärztlichen Vereinigung sprechen.
Auf die Frage, wie man das Ehrenamt fördern könnte, befürworteten die Kandidaten vor allem mehr Wertschätzung. Christoph Dellmans brachte die Ehrenamtskarte für Kempen ins Spiel.
Die Seitenhiebe
Natürlich hatten die Kandidaten auch die Chance, ihren Mitbewerbern zu widersprechen oder ebenfalls Fragen zu stellen. So wollte Cedric Franzes von Philipp Kraft wissen, ob dieser denn die Stellen im Rathaus „nicht nach Parteibuch“ vergeben werde. Kraft erwiderte, dass das Parteibuch keine Rolle spiele, ein Bürgermeister ohnehin überparteilich handeln und man sich am Ende zusammen in der Politik einigen müsse.
In Sachen Bürgerbeteiligung fragte Philipp Kraft spitz, wer denn nochmal für die Kommunikation im Rathaus verantwortlich sei, um den Bürgern das Verwaltungshandeln zu erklären und Transparenz zu schaffen. Der angesprochene Stadtsprecher Dellmans erwiderte, dass man an der Stelle personaltechnisch aufstocken müsse.
Beim Thema Schulen wollte Franzes von Dellmans wissen, wo er den Schulcampus bauen wolle. Dellmans legte sich fest: Er werde auf dem Ludwig-Jahn-Platz „keinen Schulneubau zulassen“. Man müsse Alternativen finden. Bis dahin müsse eine „Übergangslösung in Containern“ her.
Die Bewerbungen
Am Ende hatte jeder Kandidat eine Minute Zeit, um zu erklären, warum er der Richtige für den Job des Bürgermeisters wäre. Georg Alsdorf brauchte nur 38 Sekunden, um zu sagen, dass Kempen einen „Macher statt Verwalter“ brauche. Er versprach, zahlreiche Projekte in die Hand zu nehmen und die „Klüngelrunden“ abzuschaffen. Christoph Dellmans sagte, er habe 27 Jahre lang erlebt, wie „Hinterzimmerpolitik“ gemacht wurde. Dies werde er ändern. Er wolle gemeinsam mit Bürgerschaft, Politik und Verwaltung die Grundsteine für die nächsten Jahrzehnte legen. Cedric Franzes betonte noch einmal, eine „neue Generation Kempen“ brauche „die weltbeste Bildung und einen innovativen, starken Wirtschaftsstandort“. Sein Ziel sei es, zumindest in die Stichwahl zu kommen. Philipp Kraft ging nicht noch einmal auf sein Programm ein – dies könne man auch online nachlesen – sondern stand auf und betonte, wie sehr er für das Ehrenamt brenne und für das Gemeinwesen etwas bewegen wolle. Dazu wolle er gerne den unbefristeten Job gegen einen befristeten tauschen.