Kempen „Kinder mehr in den Blick nehmen“
Das Kempener Jugendamt besteht seit 35 Jahren. Die WZ stellt die Arbeitsbereiche ab heute in einer Serie vor.
Kempen. Vor 35 Jahren hat Kempen ein eigenes Jugendamt bekommen, um unmittelbar vor Ort die Kinder- und Jugendhilfepolitik entwickeln zu können. Anlass genug, um die einzelnen Bereiche des Amtes in einer WZ-Serie vorzustellen.
Mit 17 Mitarbeitern ging es damals los. Teils wurden diese vom Kreisjugendamt Viersen, das Kempen bis dahin mit betreut hatte, übernommen. Teils wurden sie neu eingestellt. Leiter wurde Klaus Balsam, der das Amt bis zu seinem Renteneintritt 2011 innehatte. „Das war eine Zeit des Aufbruchs. Es hat Spaß gemacht, das Amt in Kempen aufzubauen“, erinnerte sich Klaus Balsam bei seinem Abschied an diese Zeit zurück.
Und seither hat sich so einiges getan. Der Ferienspaß ging noch im Jahr der Gründung an den Start und hat seither Tausenden von Kindern spannende Sommerferien beschert. Die Jugendzentren Campus (Kempen), Mounty (Tönisberg) und Calimero (St. Hubert) wurden gegründet. Vorher war das „B 38“ an der Bergstraße 38 Treff für die Tönisberger Jugend, in Kempen kam man im „M 20“ zusammen. Im Hagelkreuz-Viertel kam die Alte Post hinzu. Der neue Straßenbahn-Treff „Gleis 3“ an der Berliner Allee steht anno 2016 in den Startlöchern.
Heute leitet Heike Badberg das Amt, zu dem mittlerweile rund 40 Mitarbeiter in der Verwaltung und 140 Erzieher in den neun städtischen Kindertagesstätten (vor 35 Jahren waren es noch drei) und den Offenen Ganztagsschulen gehören. Auch die Ausrichtung hat sich in dieser Zeit stark verändert. „Damals bestimmte das staatliche Wächteramt die Arbeit“, erinnert sich Badberg. Bis heute schwingt bei dem Begriff „Jugendamt“ bei einigen Menschen aber noch immer die Vorstellung mit: „Die nehmen die Kinder aus den Familien.“ Mit den Jahren wurde das Jugendamt vom Wächter zum Unterstützer der Familien — auch wenn Heike Badberg in den vergangenen Jahren wieder eine Tendenz in die andere Richtung sieht, was der Amtsleiterin wenig gefällt.
Sie mag einen anderen Ansatz lieber: „Eltern müssen befähigt werden, die Erziehung selbst zu übernehmen.“ Viele Hilfen des Kempener Jugendamtes sollen Probleme daher verhindern, bevor sie entstehen. Für die Altersgruppen von null bis 18 Jahren — und teils auch darüber hinaus — reichen die Unterstützungsangebote. Dafür wird aktuell an einem integrierten Gesamtkonzept gearbeitet.
Nicht immer muss es aber eine professionelle Betreuung durch Sozialpädagogen sein. Oft helfen schon kleine Ratschläge, wie man seinen Alltag am besten bewältigt. Daher hat das Jugendamt auch mit Hilfe des Sozialdienstes SKF ein Familienpaten-Programm auf den Weg gebracht. Wenn das nicht ausreicht, ist das Jugendamt aber auch mit professioneller Hilfe zur Stelle. Die Mitarbeiter helfen unter anderem, wenn es Probleme beim Unterhalt gibt oder es zur Trennung der Eltern kommt, bei der Eingliederung von seelisch behinderten Kindern.
Seit etwa fünf Jahren sind die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge ein großes Thema für das Jugendamt. Die Aufgaben sind in den vergangenen Jahren nicht weniger, aber dafür vielfältiger geworden. „Oft ist ein Mitarbeiter mit verschiedenen Themengebieten befasst“, so Badberg. Um einen reibungslosen Ablauf sicherzustellen, auch wenn mal jemand ausfällt, müssen alle Arbeitsbereiche „verschriftlicht“, Konzepte erstellt werden. „Wir wollen immer grundsätzlich mit den Eltern zusammen arbeiten“, betont Heike Badberg.
Ein weiterer Schritt zur Zusammenarbeit soll ein familienpolitischer Workshop sein. Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, ist nach wie vor eine große Herausforderung. Was kann die Stadt tun, um den Eltern zu helfen? Was wird benötigt? Und was nicht? Und wofür ist dann das Jugendamt wirklich auch zuständig? Diese Fragen sollen angegangen werden.
Badberg, die selbst Mutter von zwei Töchtern ist und beim Thema Vereinbarkeit auch aus eigener Erfahrung sprechen kann, mahnt aber, dass es nicht nur um die Eltern-Interessen geht: „Wir müssen wieder mehr die Kinder in den Blick nehmen.“ Die Erzieher würden heute oft davon berichten, dass in den Familien ein hoher Druck herrsche. Auch das soll angesprochen und Lösungen gesucht werden. „Der Ausbau der Betreuung ist nicht der einzige Weg“, so Badberg.
Mit der Zunahme der Aufgaben ist auch die räumliche Situation in St. Hubert schwieriger geworden. „Teilweise sitzen zwei bis drei Mitarbeiter in einem Raum“, erklärt die Amtsleiterin. Bei Gesprächen mit Familien mit schwierigem Hintergrund sei die Enge eine große Belastung, bestätigen auch die Mitarbeiter. Über die Ankündigung von Bürgermeister Volker Rübo, ein neues Rathaus in den Blick zu nehmen, sorgte daher für besondere Freude im Jugendamt.