„Statistik ist unsinnig“
Laut Bund der Steuerzahler sind die Gebühren zu hoch. Städte sind anderer Meinung.
Kempen/ Grefrath/ Nettetal. Es gibt in den Kommunen große Unterschiede bei den Abwassergebühren. Das geht aus der neuen Statistik des Bundes der Steuerzahler hervor. Demnach kalkulieren 146 der 396 Kommunen in NRW zu teuer (die WZ berichtete). Für Kempen, Grefrath und Nettetal hat die WZ noch einmal die Gebühren verglichen und nachgefragt, warum die Unterschiede zum Teil so groß ausfallen.
"In meinen Augen ist die Statistik unsinnig und kaum aussagekräftig. Da werden Äpfel mit Birnen verglichen", meint Karlheinz Cremers, Leiter der Kämmerei in Kempen. Die Stadt Kempen verzeichnet in der Statistik mit 9,4 Prozent die höchste Kostensteigerung aller drei Kommunen von 2009 auf 2010. Trotzdem ist die aktuelle Gebühr von 530,70 Euro immer noch 130Euro günstiger als in Grefrath und sogar 140 Euro günstiger als in Nettetal.
Als ersten Grund für die Erhöhung nennt Cremers gestiegene Beitragsanteile an den Entwässerungsverbänden von rund 30.000 Euro. Die ständige Erweiterung des Kanalnetzes - vor allem in den Neubaugebieten- schlägt mit rund 109.000 Euro zu Buche.
Ein weiterer Grund für die Mehrkosten klingt kurios: weniger Frischwasserverbrauch. Doch wie passen Wassersparen und Mehrkosten zusammen? "Der Frischwasserverbrauch ist eine Bemessungsgrundlage für die Menge des Schmutzwassers", sagt Cremers.
Zur Erklärung: Das Schmutzwasser wird nicht wie der Verbrauch von Strom, Wasser und Gas über einen Zähler gemessen. Die Kommunen setzen voraus, dass die verbrauchte Frischwassermenge der des abgeleiteten Schmutzwassers entspricht. Mit der geringeren Wassermenge verändert sich der Faktor bei der Berechnung der Gebühr - und die Gebühr steigt. Beispiel-Rechnung: 100 Meter Kanalnetz geteilt durch 100 Kubikmeter Frischwasser ist gleich1. 100 Meter geteilt durch 90 Kubikmeter ist gleich 1,1.
"Auch wenn weniger Wasser durchläuft, bleibt die Länge des Kanalnetzes gleich lang. Und das muss bezahlt werden", ergänzt Cremers.
In Grefrath konnten die Kosten im Vergleich zum Vorjahr um zwei Prozentpunkte auf 660 Euro gesenkt werden. "Bei relativ konstanten Kosten konnten wir einen nicht unerheblichen Überschuss erwirtschaften", sagt Kämmerer Wolfgang Rive. Er weist darauf hin, dass Gebühren der Kostendeckung und nicht etwa dem Gewinn dienen. Die Kostenaufstellung werde von unabhängigen Dritten geprüft, so Rive weiter.
Harald Rothen, Betriebsleiter der Stadtwerke Nettetal, versucht, die Erhöhung in Nettetal zu erklären: "Nach 15 Jahren Kostensenkung mussten wir durch Neuanschaffungen und Zinsen die Abwassergebühren in diesem Jahr erhöhen", sagt er. Aktuell sind das 670,80 Euro, 3,6 Prozent mehr als in 2009.
Für Rothen ein klarer Fall: "Bei annähernd gleicher Kostenlage wurde weniger Wasser verbraucht." Zwei Prozent der Kostensteigerung führt er auf diese Mengenreduktion zurück. Die restlichen 1,6 Prozent Mehrkosten hält Rothen für "ganz normal".
Dennoch ist die Abwassergebühr in Nettetal im direkten Vergleich mit Kempen und Grefrath laut Statistik am teuersten. "Dabei sind Kanalnetze nicht vergleichbar. Die Statistik wird unkommentiert losgelassen", ärgert sich Karlheinz Cremers. Vor allem topografische Fakten - zum Beispiel die Flächengröße der Kommunen - seien seiner Meinung nach für eine faire, fundierte Statistik notwendig.