Kempen und Grefrath Viele Physiotherapeuten haben Angst vor Altersarmut

Drei Frauen mit eigener Praxis kämpfen gemeinsam für bessere Bezahlung, weniger Bürokratie und gegen zu hohe Arbeitsbelastung.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Kempen/Grefrath. „Wir haben Angst vor Altersarmut.“ Mit dieser klaren Aussage machen drei selbstständige Therapeutinnen aus Kempen und Grefrath ihre aktuelle finanzielle Situation aufmerksam. Hilfe erhoffen sie sich von den beiden CDU-Bundestagsabgeordneten Uwe Schummer (Kreis Viersen) und Stefan Rouenhoff (Kreis Kleve), die sie am Mittwoch eingeladen hatten, um ihnen ihre Situation zu schildern. „Wir verdienen als Selbstständige rund 1400 Euro im Monat, Angestellte aber zirka 2200 Euro“, erläutert Nadine Wöhler, die in Grefrath eine Praxis für Ergotherapie betreibt.

Ein großes Problem sei der enorme bürokratische Aufwand, der täglich bis zu zweieinhalb Stunden beanspruche, aber größtenteils nicht vergütet werde, sagen ihre Kempener Kolleginnen Sonja Minten (Logopädin) und Renate Erdmann (Physiotherapie), die ebenfalls eigene Praxen betreiben.

Schummer wies darauf hin, dass die Bundesagentur für Arbeit den Beruf des Physiotherapeuten bereits auf die Liste der „Mangel-Berufe“ gesetzt habe. Er schließt sich außerdem dem Vorschlag seines Parteikollegen Roy Kühne an, der ein Sofortprogramm für die Therapieberufe fordert. Kühne gibt den „angemessenen Lohn“ in der Heilmittelversorgung mit 3250 Euro pro Monat an. Er wäre damit vergleichbar mit dem Einkommen von Medizinisch-Technischen Assistentinnen (MTA) und Krankenschwestern. Allerdings steige die Vergütung im Zeitraum von 2017 bis 2019 bereits um bis zu 32 Prozent.

Das sei aber nicht genug, sagt Nadine Wöhler. „Damit werden nur zurückliegende Finanzprobleme aufgefangen“, sagt die Grefratherin, die in ihrer Praxis acht Leute beschäftigt. Sonja Minten glaubt, beide könnten sich das nur leisten, weil sie „gut verdienende Ehemänner“ hätten. Bei Renate Erdmann, die eine Physiotherapie-Praxis gemeinsam mit ihrem Ehemann betreibt, ist die Situation etwas entspannter: „Wir haben unsere Praxis im eigenen Haus, müssen also keine Miete bezahlen“, erläutert die Kempenerin. Aber die drei kämpfen auch für Kolleginnen und Kollegen, die sich in finanziell sehr viel schlechteren Verhältnissen bewegen, und deshalb trotz Vollzeitbeschäftigung noch einen Nebenjob übernehmen müssen.

Schummer sagte zu, die wichtigsten Anliegen der Frauen mit in ein Gespräch zu nehmen, das Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am 13. September mit den Therapeuten-Verbänden führen will. In Absprache mit den drei Betreiberinnen wollen Schummer und Rouenhoff sich dafür einsetzen, dass das Schulgeld abgeschafft wird, das bisher für die Ausbildung aus eigener Tasche gezahlt werden muss. Außerdem müsse eine faire Bezahlung erfolgen und eine Gleichberechtigung zwischen Therapeuten, Ärzten, Kassen und Apotheken hergestellt werden.

Die Zusammenarbeit mit Ärzten und Kassen sei oft schwierig, berichteten die drei Frauen. „Oft entstehen Behandlungspausen für die Patienten, weil die Ärzte nicht rechtzeitig Folgeverordnungen ausstellen“, sagt Sonja Minten. „Dann leidet der Schwächste“, ergänzt Nadine Wöhler. „Dabei verhindern wir Pflege.“ Damit meint sie, dass viele Patienten nur deshalb mobil bleiben, weil sie therapeutisch behandelt werden.

Beispiele für den ihrer Meinung nach enorm hohen, unbezahlten bürokratischen Aufwand nennt Renate Erdmann. So müsse bei länger andauernden ärztlichen Verordnungen bei manchen Krankenkassen jede Verordnung einzeln genehmigt werden. Die Behandlung könne erst dann begonnen werden, wenn die Kasse den Eingang des Genehmigungsantrags bestätigt habe.

Schummer und Rouenhoff versprachen Nadine Wöhler, Sonja Minten und Renate Erdmann eine Antwort darauf, wie die Politik mit ihren Anregungen umgehe. Beraten werde darüber im Parlament voraussichtlich im nächsten Jahr. „Wirken können wir aber wohl erst für die Zeit ab dem Jahr 2020“, so Schummer.