Wann endet das Bahn-Dilemma?
In Kempen blieben erneut Pendler stehen. Eine Analyse der WZ zeigt: Die Lösung des Problems ist nicht in Sicht.
Kempen. Die Pannenserie auf der Strecke des Niers-Expresses (RE 10) zwischen Kleve und Düsseldorf reißt nicht ab. Nachdem in den Osterferien eine Reisegruppe aus Goch einen Zug am Kempener Bahnhof wegen Überfüllung verlassen musste, kam es auch in dieser Woche wieder zu Problemen. Am Montag und Dienstag blieben Pendler in Kempen stehen, weil die Nordwestbahn (NWB) erneut mit zu wenigen Wagen unterwegs war.
Und mal wieder muss Katrin Hofmann, Sprecherin der Osnabrücker NWB, den Vorfall bedauern: Einige Fahrzeuge des Unternehmens seien nicht einsatzbereit gewesen. In Bedauern üben sich NWB, Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) und Politiker seit Ende 2009 — seitdem verkehrt die Nordwestbahn zwischen Kleve und Düsseldorf — häufig. Eine Lösung für die Pendler ist indes immer noch nicht gefunden.
Auch die zusätzlichen Züge, die seit Ende 2011 früh morgens zwischen Kempen und Krefeld eingesetzt werden, haben nach Meinung vieler Berufspendler wenig Entlastung gebracht. Aus Sicht von Marcus Optendrenk, CDU-Abgeordneter im Landtag und Aufsichtsratsvorsitzender der Verkehrsgesellschaft Kreis Viersen (VKV), sind die zusätzlichen Fahrten aber ein Schritt in die richtige Richtung: „Diese Lösung ist auf Druck des Kreises Viersen und der Stadt Kempen zustande gekommen.“ Zu den aktuellen Problemen wollen Kreis und Stadt laut Optendrenk „intensive Gespräche“ mit dem VRR führen: „Es ist klar, dass der Zustand für die Reisenden nicht tragbar ist.“
Indes scheint völlig offen zu sein, wer für das dauerhafte Bahn-Dilemma verantwortlich ist. Bis auf einige Ausnahmefälle — wie in dieser Woche — beteuert die Nordwestbahn seit Jahren, dass sie die mit der vom VRR bestellten Anzahl an Wagen unterwegs ist. Und der VRR erklärt immer wieder, dass die Bestellung auf den angegeben Zahlen der Kommunen beruhe.
„Wir sind mit allen unseren Vertragspartnern in ständigem Kontakt — auch mit der Nordwestbahn“, sagt VRR-Sprecher Johannes Bachteler. Sobald Probleme auftreten, werde geprüft, ob das betreffende Transportunternehmen die Vertragsinhalte eingehalten hat.
Bei der Qualitätsanalyse des RE 10 gibt es laut Bachteler im Vergleich zu anderen Strecken keine besonders auffälligen Probleme: „Im durchschnittlichen Qualitätsniveau sind wir mit der Nordwestbahn zufrieden.“ Sogenannte „Einzelfälle“ — wie den mit der Reisegruppe — will der VRR aber nicht schönreden. Dazu werde es Gespräche mit der NWB geben.
Dass die Bestellung der Wagenanzahl für den Niers-Express 2009 zu niedrig ausgefallen ist, steht für Beobachter außer Frage. Der Kempener Bahnhof hat durch die Sanierung (2007) und wegen der steigenden Zahl an Parkplätzen deutlich an Attraktivität gewonnen. Viele Berufstätige aus der Region, die früher das Auto genutzt haben, fahren heute ab Kempen mit der Bahn zur Arbeit.
Veränderungen bei der bestellten Anzahl der Wagen sind laut VRR auch innerhalb des Vertrages mit NWB, der bis 2025 läuft, möglich. Wie fast immer im Leben, muss sich aber jemand finden, der das bezahlt. „Die Kommunen müssten eine Erhöhung der Bestellung dadurch begründen, dass mehr Pendler auf der Strecke unterwegs sind“, sagt Johannes Bachteler. Im Kreis Viersen ist das die schon erwähnte Verkehrsgesellschaft, in der die Städte und Gemeinden vertreten sind. Bezahlen müsste eine Erhöhung der Kapazitäten letztlich der Steuerzahler.
Ob die Nordwestbahn die Wagenzahl überhaupt erhöhen kann, ist aber unwahrscheinlich. Schließlich pfeift das Unternehmen schon bei einzelnen Fahrzeugausfällen aus dem letzten Loch. Das haben die vergangenen Jahre gezeigt. Und wie ein Verkehrsexperte der WZ mitteilt, sei der Fahrzeugmarkt derzeit leer gefegt. Ein Unternehmen wie die NWB habe kaum Chancen, zum Beispiel gebrauchte Wagen zu kaufen. Die Deutsche Bahn verkaufe ihre Fahrzeuge wesentlich lieber nach Osteuropa als an die innerdeutsche Konkurrenz.