Exkursion in Grefrath-Vinkrath Unterwegs mit der Kräuter-Expertin
Grefrath · Die Biologin Regina Thebud-Lassak zeigte bei einem Rundgang in Vinkrath, welche Pflanzen für die Küche genutzt werden können – und welche nicht. Zusammen mit den Teilnehmern fand sie unerwartet viele wohlschmeckende Pflanzen. Warum man zum Sammeln ein Bestimmungsbuch mitnehmen sollte.
(ure) Nahrhafte Kost findet man in der Natur praktisch überall. Das ist die Grundaussage von Regina Thebud-Lassak: „Zwar wächst nahrhafte Kost schon am Wegesrand, sammeln sollte man sie aber nur an unbelasteten Stellen, also weitab von Hundekot und Autoabgasen.“ Die Biologin ist Dozentin bei der Kreisvolkshochschule (VHS) Viersen und hatte zu einem von der Strecke kurzem, von der Erkenntnis aber umfassenden Rundgang in Vinkrath eingeladen. Warum gerade dort? „Diese kleine Wäldchen zwischen Mörtelstraße und Tetendonk ist mir aufgefallen, weil hier im Frühling so viele Buschwindröschen zu finden sind,“ sagt die Fachfrau. In der Zeit, als ihre Kurse wegen der Corona-Pandemie ausfallen mussten, hatte sie genügend Zeit, diese wunderbaren Orte zu entdecken.
Die sicherlich wichtigste Kunst ist es, die jeweilige Pflanze zu bestimmen, um entscheiden zu können, ob sie zur Ernährung beitragen kann oder nicht. Die Biologin verweist dabei auf ihre Exkursionen zum Thema Pilze, die im Herbst stattfinden: „Wir alle mögen Pilze, aber Pilze haben auch schon zu Erbfällen geführt.“ So lernen Teilnehmerinnen und Teilnehmer an diesem Tag vor allem, was in den Kochtopf, in den Salat, in den Tee und ins Einmachglas kommen darf. Und was besser nicht.
Beispiel: der Riesen-Bärenklau. Es hilft nicht weiter, dass die Pflanze 2008 zur Giftpflanze des Jahres ausgezeichnet wurde. Berührungen bei Tageslicht, ganz besonders bei Sonnenschein, führen beim Menschen zu schmerzhaften Quaddeln oder Blasen – „Verbrennungen bis zum zweiten Grad“, wie Thebud-Lassak erklärt. Blöd ist, dass man das spätere Malheur zunächst überhaupt nicht bemerkt. Es brennt nicht sofort, es kratzt nicht. Ja, die Pflanze werde bekämpft, nein, es gebe nicht genügend Ressourcen, um diese Aufgabe in kompletter Schutzkleidung und mit Fachkenntnis zu bewältigen.
Neben der unter Umständen lebenswichtigen Kenntnis, eine Pflanze bestimmen zu können, gehört vor dem Verzehr auch das entsprechende Wissen über die Pflanze selbst. Thebud-Lassak: „Eine Grundregel lautet: Die Blätter immer vor der Blüte nutzen.“ Der Grund sei einfach und liege in der Natur der Dinge. Die Pflanze kümmere sich beständig um ihre eigene Nachhaltigkeit. Die gesamte Kraft wandere in Blüte und Samen, weniger in das Blatt. Ein Ergebnis dieses Selbsterhaltungstriebs: Allein schon der Vitamingehalt in den Blättern lasse mit der Zeit nach. Beispiel: Gänseblümchen. Am besten schmecken die jungen Blättchen aus dem Inneren der Rosette. Sie passen übrigends prima in einen Salat-Mix mit beispielsweise Eisbergsalat.
Dass für ein Kilogramm Honig ein Bienenvolk über 100 000 Löwenzahnblütenbesuche durchführen muss, ist ein anderes Thema. Aber die gelben Blüten lassen sich auch zu einem Gelee und damit zu einem Brotaufstrich verarbeiten. Die nur leicht bitteren, jungen Blätter sind mehr als eine Ergänzung für den Salat. Der medizinische Effekt: Die Verdauung wird angeregt, der Gallenfluss kommt in Schwung. In den Nachkriegsjahren wurde aus den gerösteten Wurzeln sogar eine Art Ersatzkaffee hergestellt.
Rund um das Regenrückhaltebecken am Tetendonk wächst die Knoblauchsrauke: antiseptisch, harntreibend, schleimlösend. Neben dieser in der Hausapotheke durchaus nützlichen Verwendung wird die Pflanze hauptsächlich als Gewürz verwendet. Manche behaupten sogar, sie sei das älteste bekannte, einheimische Gewürz. Man sammelt die Blätter von April bis Juni und kann sie – wie erwartet von den Briten abgeschaut – in das Sandwich legen. In unserer Heimat wird die Knoblauchsrauke in Salatsoßen und in Quark- oder Frischkäsemischungen verwendet – wegen des pfeffrigen-knoblauchartigen Geschmacks.
Gleich am Rand der Mörtelstraße wächst mit gelben Sternblüten das Scharbockskraut, das wie das Weiße Buschwindröschen im Frühjahr in ganzen Teppichen den Waldboden bedeckt. Beide gehören zu den Hahnenfußgewächsen, deren Vertreter alle giftig sind. Mit einer Ausnahme: Die sehr jungen Blätter des Scharbockskrauts weit vor dem Blühbeginn können gegessen werden und sind sehr reich an Vitamin C. Daraus leitet sich der Name der Pflanze ab: Scharbockskraut ist eine Verballhornung des Namens der Vitamin-C-Mangelkrankheit Skorbut.
Wer die Pflanzen für die Nahrung verwenden möchte, dem empfiehlt Regina Thebud-Lassak unbedingt ein Bestimmungsbuch. Der gesamte Prozess benötige natürlich Zeit, sei aber letztendlich eine Bereicherung für Tee und Salat, also für eine natürliche Ernährung. Und einen Tipp hat sie noch parat: „Wer im Garten möglicherweise Unkraut vermutet: erst bestimmen – und dann nicht auf den Kompost, sondern essen.“