St. Hubert Zicklein Ursula hat gern Gesellschaft
St. Hubert. · Meike Adorf und Bernd Goetzens ziehen eine frühgeborene Ziege in der Wohnung auf.
Kaum hat Meike Adorf die Kühlschranktür geöffnet, da schiebt sich schon eine kleine Nase heran und schnuppert neugierig an der offenen Tür. Adorf kann das Lächeln nicht unterdrücken. Sie greift zu dem Paket mit dem Schwarzbrot und bricht ein Stückchen ab. „Das gehört derzeit mit zu Ursulas Lieblingsspeisen“, erzählt sie, bückt sich und steckt der gerade einmal 30 Zentimeter großen Ziege den Leckerbissen zu – der wird mit Begeisterung gefressen. Dann geht Adorf zum Herd und die kleine Ziege folgt ihr. Sie klebt ihr förmlich am Hosenbein. Denn seit dem 21. Januar haben Meike Adorf und Bernd Goetzens einen etwas ungewöhnlichen Hausgenossen: In ihrer Wohnung auf dem Spargel- und Erdbeerhof Goetzens lebt Ursula, eine Zwergziege.
„Wir kamen eines Abends nach Hause und hörten von der Ziegenwiese ein besonders klägliches Meckern“, erinnert sich Goetzens. Dass die Tiere abends laut werden, ist normal, denn es ist Futterzeit. Wenn das Wetter zu kalt wird, laufen sie auch in den Stall. Aber an diesem Abend fiel das Meckern derart auf, dass Meike Adorf und Bernd Goetzens zur Wiese gingen, um nachzuschauen, was dort los ist.
Das Muttertier kümmerte sich nicht um seinen Nachwuchs
„Dort haben wir die klitzekleine, ganz nasse Ziege, die nur wenige Minuten zuvor geboren sein musste, gefunden. Die Mutter kümmerte sich überhaupt nicht um ihren Nachwuchs, sondern war mit den anderen Ziegen unterwegs“, berichtet Adorf. Die kleine Ziege, die offensichtlich zu früh geboren war, wurde mit den anderen Ziegen sofort in den Stall gebracht. Dort versuchten Goetzens und Adorf, die Mutter dazu zu bewegen, sich um ihr Kind zu kümmern. Doch ohne Erfolg. Kurzentschlossen nahm das Paar die Ziege mit in ihre Wohnung.
Weil die Ziegenmutter ihr Kleines nicht trockengeleckt hatte, griff Adorf zum Handtuch. Doch das klappt bei der Ziege, die von der Größe her gerade einmal auf die Hand von Adorf passte, irgendwie nicht richtig. „Wir haben dann den Fön genommen und sie vorsichtig trockengefönt“, erzählt Goetzens. Der Zwerg kam auf eine Wolldecke direkt neben die Heizung und Goetzens verschwand im Stall, um Kuhmilch zu holen. Dabei war es ein Glück, dass eine Kuh frisch gekalbt hatte und damit Biestmilch vorhanden war. Diese enthält wichtige Antikörper für das Immunsystem und ist als erste Milch für ein Jungtier enorm wichtig. Eine 20-Milliliter-Spritze wurde gefüllt, doch die kleine Ziege nahm gerade einmal knappe zehn Milliliter zu sich. Warm in die Decke an der Heizung verpackt gab es immer wieder eine kleine Futterration, danach schlief das Tier ein.
Dass die Ziege die erste
Nacht überlebte, machte Mut
„Wir hatten Sorge, ob sie die Nacht schaffen würde, weil sie wirklich extrem klein und dünn war“, erzählt Goetzens. Doch der Lebenswille war groß. Das könne was geben, dachte sich das Paar am nächsten Morgen, und setzte die Fütterung fort. Sechsmal am Tag gab es die Milchportionen, die mit der Zeit immer größer wurden. „Als ich Meike mit der Mini-Ziege im Arm bei der Fütterung sah, kam mir spontan der Name Ursula in den Sinn, weil sie doch so ein kleines Uselchen war“, berichtet der St. Huberter.
Ursula akzeptiert ihre Zieheltern. Tagsüber will sie überall dort sein, wo einer der beiden ist. Am Abend geht es gemeinsam auf die Couch im Wohnzimmer. Mit den anderen Ziegen hat Ursula, die inzwischen ihr Gewicht auf über vier Kilogramm steigern konnte, nicht viel im Sinn. Auf der Wiese bei den Artgenossen fühlt sie sich sichtlich unwohl. Die anderen Ziegen akzeptieren sie nicht wirklich, und sie steht alleine da. „Ursula läuft mit wie ein Hund. Wenn ich meine Eltern in Eschweiler besuche, fährt sie mit. Gar nicht wohl fühlt sie sich, wenn ich sie stundenweise in ihr eigens eingerichtetes Kälberiglu samt Auslauf packe, weil ich sie nicht mit zu meiner Arbeitsstätte nehmen kann“, erzählt Adorf. Dann steht Ursula am Gitter und meckert. Auch Heu und Ziegenpellets, die sie mittlerweile schon frisst, schmecken ihr in dieser Zeit nicht.
Erst wenn jemand kommt, hört das Gemecker auf und es wird Futter genascht. Stubenrein ist die Ziege noch nicht. Da muss häufig der Boden gewischt werden. Goetzens und Adorf hoffen, dass Ursula – wenn es weiteren Ziegennachwuchs gibt – nicht nur einen Spielkameraden findet, sondern sich auch in die Ziegengruppe integriert.