Kann die Kirche junge Migranten erreichen?

Der neue Förderplan der Stadt Nettetal wirft indirekt die Frage auf, ob die offenen Jugendeinrichtungen der Kirchen noch zeitgemäß sind. Doch der Ausschuss lässt die Passage streichen.

21 Prozent aller Jugendlichen in Nettetal haben einen Migrationshintergrund.

Nettetal. Ein kleiner Satz nur, und doch sorgte er für große Aufregung im jüngsten Jugendhilfeausschuss im Rathaus: „Die überwiegend kirchliche Trägerschaft steht aus fachlicher Sicht nicht in einem Verhältnis zum Ausländer- und Migrantenanteil in Nettetal.“

Einerseits skizzierte diese Formulierung im neuen Kinder- und Jugendförderplan die Situation der offenen Jugendarbeit. Andererseits kam Kritik auf, die Kirchen kämen bei dieser Bestandsaufnahme zu unrecht nicht gut weg. Trotzdem stieß der Jugendförderplan insgesamt auf große Zustimmung.

„Das ist unser erster eigener Kinder- und Jugendförderplan“, hob Sozialdezernent Armin Schönfelder hervor. Bevor 2012 Nettetals Jugendamt offiziell seine Arbeit aufnahm, war das Kreisjugendamt mit für die Seenstadt zuständig. Der neue Plan — in weniger als zwei Jahren vom Jugendamt in Zusammenarbeit mit den Trägern der Jugendarbeit erstellt — gibt Leitlinien bis zum Jahr 2020 vor. Und versucht, einschneidenden Veränderungen gerecht zu werden.

So sank der Bevölkerungsanteil junger Menschen zwischen sechs und 21 Jahren in Nettetal um über zehn Prozent, wie Heiko Brodermann vom Jugendamt erläuterte, von 7144 im Jahr 2009 auf derzeit 6400. „In fünf Jahren werden es nur noch geschätzte 5600 sein“, prognostiziert Brodermann. Die potenzielle Zielgruppe der Jugendarbeit wird also kleiner — und sie verändert sich.

„Der Anteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund beträgt in Nettetal 21 Prozent, das ist ein Spitzenwert im Kreis Viersen“, stellte Brodermann fest. Kreisweit liege der Anteil nur bei 16 Prozent. Gleichzeitig ändere sich das Freizeitverhalten junger Menschen, sei zum Beispiel immer mehr geprägt von Online-Medien. Solchen Erkenntnissen versuchen die Verantwortlichen in der Jugendarbeit Rechnung zu tragen.

Ein Problem dabei laut Schönfelder sind immer häufiger „schwierige familiäre Situationen“ bei jungen Leuten; zu seinem Bedauern gehe „der Einfluss sinnstiftender Einrichtungen immer weiter zurück“. Damit meinte er neben Sozialverbänden vor allem die Kirchen, die in Nettetal Träger aller Einrichtungen offener Jugendarbeit sind; ihre Bedeutung lobte der Dezernent ausdrücklich.

Mit Nachdruck stellte Irmgard Schmitz von der katholischen Kirche klar: „Wir als Träger wollen uns intensiv um Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund kümmern!“ Entsprechend empfinde sie die Formulierung im Förderplan als Widerspruch, kirchliche Trägerschaft stünde „nicht in einem Verhältnis“ zum hohen Migrantenanteil.

Trotz der Einwände seitens der Verwaltung, der beanstandete Satz sei eine Feststellung, keine Kritik, beschloss der Ausschuss die Streichung der umstrittenen Formulierung — und segnete mit dieser Änderung den Jugendförderplan ab.