Nettetal-Kaldenkirchen Bürgersaal braucht Frischzellenkur

Analyse | Kaldenkirchen. · Coronabedingt geht es im Bürgerhaus Kaldenkirchen derzeit ruhig zu. Das frühere Hauptzollamt, seit 1970 im Eigentum der Stadt, wird seit 1975 vom Bürgerverein betrieben. In Zeiten des Kneipensterbens wird der Saal aber immer wichtiger.

Das Bürgerhaus ist leider nicht barrierefrei.

Foto: Heribert Brinkmann

(hb) In Corona-Zeiten ist das Bürgerhaus etwas aus dem Blick geraten. Dabei hat das mehr als 200 Jahre alte Gebäude Potenzial für die Zukunft. Besonders der Bürgersaal im ersten Stock rückt in den Blick, wenn ringsum die Zukunft der Säle in der Gastronomie ungewiss ist. Der Bürgerverein ist schon lange im Gespräch mit der Stadt. Bürgermeister Christian Wagner (CDU) hat das Bürgerhaus durchaus auf dem Schirm, sieht es aber als Teil eines Konzeptes für die komplette Innenstadt von Kaldenkirchen. Ein Planungsbüro nahm dazu vor kurzem die Arbeit auf.

Allerdings läuft die Zeit davon. Denn die Vereine, nicht nur im Karneval und Schützenwesen, brauchen Versammlungsstätten. Noch kann man auf den Saal zur Mühle zurückgreifen. Aber die Betreiber wollen seit Jahren verkaufen. So wird der Bürgerhaus-Saal wichtiger denn je. Eine Modernisierung täte dem Haus auf jeden Fall gut. Der Saal ist nicht barrierefrei erreichbar. An der Rückseite des Gebäudes gibt es eine Rampe, aber im oder am Haus keinen Fahrstuhl. Wenn man den Saal stärker vermarkten möchte, muss man auch in das Gebäude investieren. Das Denkmal aus der Preußenzeit lohnt sowieso.

Der langgestreckte, zweigeschossige Bau ist charakteristisch für den preußischen Klassizismus. Nach dem Ende der Franzosenzeit am linken Niederrhein wurde Europa 1815 auf dem Wiener Kongress neu geordnet. Der Niederrhein wurde dem Königreich Preußen zugeschlagen. Die Grenze zu den Niederlanden wurde Preußens Westgrenze.

1818 wurde in Kaldenkirchen ein preußisches Hauptzollamt errichtet. Am Platz des Venloer Tores entstand dieser beeindruckende Bau, der heute am Ende der Fußgängerzone steht. 1943 wurde das Hauptzollamt aufgehoben, 1970 ging es in das Eigentum der Stadt Nettetal über. Nach einem Umbau wurde es in die Obhut des Bürgervereins Kaldenkirchen gegeben.

So dient das Bürgerhaus heute nicht mehr dem internationalen Warenverkehr, sondern der Begegnung, Bildung und Geselligkeit. Im ersten Stock ist ein Saal eingerichtet, der für Vorträge, Filmvorführungen wie Familienfeiern genutzt werden kann. Die Stadt bietet ihn für private Feiern mit 50 bis 70 Gästen an. Elvire Kückemanns, erste Vorsitzende des Bürgervereins Kaldenkirchen, hat die Schlüssel zum Bürgerhaus.

Der Saal im ersten Stock ist das Herz des Hauses. Ein Klavier, historische Fahnen, die Porträtfotos der Bürgermeister von Kaldenkirchen und eine Böllerkanone für den Fronleichnamszug machen den Raum auch zu einem kleinen Heimatmuseum. Bis auf wenige Änderungen sind die Räume im Zustand von 1975 geblieben – und das gilt auch für die sanitären Anlagen des ­Hauses.