Stolpersteine: Zum Gedenken an die Opfer der NS-Zeit
An zwei Stellen wurden am Montag in Kaldenkirchen Messingplatten mit den Namen von sechs jüdischen Bürgern verlegt.
Kaldenkirchen. Jeder Stein steht für ein Leben: Sechs Stolpersteine liegen an der Kehrstraße 10 und an der Steyler Straße 7. Auf den Messingplatten stehen die Namen und Lebensdaten von Hedwig, Max und Elisabeth Lion sowie Ruth, Lina und Simon Harf.
Auf Initiative von Schülern der Gesamtschule wurden die Stolpersteine am Montag vor den Häusern verlegt, in denen die Kaldenkirchener jüdischen Glaubens gewohnt hatten, bevor sie 1941/1942 von den Nationalsozialisten deportiert und in den meisten Fällen auch ermordet wurden.
Die Kälte konnte die rund 100 Gäste — darunter ein Geschichtskurs und Schülervertreter der Gesamtschule — nicht abschrecken, die zur Gedenkstunde zunächst an die Kehrstraße gekommen waren. Die Schülerinnen Ann-Christin Steindl, Kim Liehnen, Bianca Hoiboom, Fabienne Karmanns und Tasmin Hendricks hatten zusammen mit Lehrerin Julietta Breuer die Verlegung der Steine initiiert und mit Unterstützung des Bürgervereins Kaldenkirchen und der Stadt umgesetzt. Sie hatte besonders das Schicksal der Kinder Hedwig, genannt Hedi, und Ruth bewegt.
Während der Kölner Bildhauer Gunter Demnig die Steine an der Kehrstraße in den Boden einließ, berichtete Heinz-Willi Schmitz, Vorsitzender des Bürgervereins, von einer Begegnung mit Else Heymann, verwitwete Lion, die die Deportation überlebt hatte. „Sie erduldete unendliches Leid“, erzählte Schmitz sichtlich bewegt.
„Ihr Ehemann kam um. Zuvor hatte er noch vom Tod der Tochter erfahren.“ Sie berichtet davon, wie sie im November 1943 ins Ghetto in Riga zurückkehrte und dieses war „ausgeräumt von Kindern und alten Leuten“. „Ich habe Hedi nie wieder gesehen“, beschrieb sie.
Der Historiker und langjährige Kulturdezernent des Kreises Viersen Professor Leo Peters machte deutlich, dass es keinen traditionellen Antisemitismus in Kaldenkirchen gegeben habe.
„Nichts desto weniger haben doch alle in diesem Ort Schuld auf sich geladen, indem sie wegschauten, ignorierten, nicht zur Kenntnis nehmen wollten, indem sie in einer Mischung aus Angst und Feigheit, aber bei manchen auch von Opportunismus und stillschweigender Bejahung dem Unrecht unwidersprochen freien Lauf ließen.“ Es habe zuvor ein friedliches Verhältnis von Juden und Christen gegeben. Das mache das Unrecht der 1930er und 1940er-Jahre in der Rückschau noch schlimmer.
Gesamtschulleiter Roland Schiefelbein sagte, er sei froh, dass Nettetal eine so offene Stadt sei, in der man viel Unterstützung für Erinnerungsprojekte erfahre. Bürgermeister Christian Wagner dankte den Gesamtschülern für ihre Initiative: „So wird das Schicksal fassbar.“
Die Gesamtschüler berichteten kurz von dem Leben der beiden Familien. Den Schilderungen der Mutter Elisabeth verdankten sie viele Informationen über die Familie Lion. Julietta Breuer: „Von Familie Harf können wir leider nur sehr wenig erzählen.“ Doch ein Zeitzeuge, ein ehemaliger Nachbar der Familie, erinnerte sich an das gute Verhältnis und das Unverständnis über die Gräuel des NS-Regimes. Sein Vater Heinrich wurde damals von den jüdischen Nachbarn gefragt: „Heinrich, kannst Du mir sagen, was wir denen getan haben?“
Während Gunter Demnig an der Steyler Straße 7 die drei Gedenksteine für Ruth, Lina und Simon Harf verlegte, verlassen Schüler der Gesamtschule die Namen aller jüdischen Mitbürger aus Kaldenkirchen, Breyell und Lobberich.