Textilmuseum in Nettetal Handstickerei aus Afghanistan in der Scheune ausgestellt
Nettetal-Hinsbeck · Handstickerei aus Afghanistan im Kontext von moderner Textilkunst zeigt das Textilmuseum „Die Scheune“ noch bis zum 21. August. Die Schau schafft eine Verbindung zwischen Dörfern bei Kabul und dem Niederrhein.
(hb) Eine wichtige und schöne Ausstellung im Textilmuseum „Die Scheune“ in Hombergen verdient Aufmerksamkeit, auch wenn die Sommerferien vieles überlagern. Die neue Ausstellung in der Textilscheune hat den Titel „Keep Your Eye on the Planet“ und verbindet Handstickerei aus Afghanistan mit zeitgenössischer Textilkunst aus Europa. Außerdem geht es inhaltlich um unsere gemeinsame Erde und die Bewahrung der Schöpfung. Aktueller geht es kaum noch.
Museumsleiterin Susanne Ciernioch hat aus Freiburg eine interessante Entdeckung nach Nettetal gebracht: Guldusi, ein Frauenförderprogramm der Deutsch-Afghanischen Initiative. Die Idee ist simpel wie nachhaltig. Die Initiatorin des Stickprogramms, Textilkünstlerin Pascale Goldenberg, hat seit 2002 über 200 Frauen in Dörfern in der Nähe von Kabul wie im Westen von Afghanistan angestiftet, die alte Handarbeitstechnik des Stickens wiederaufzunehmen. Sie erhalten dafür einen festen Lohn, meistens auch ein Thema vorgegeben.
Die Stickereien werden dann in Europa an Textilkünstler weitergegeben, die diese kleinen Stücke in neue eigene Kunstwerke einbringen. Für die Stickfrauen war das Thema Auge vorgegeben. Für die Ausstellung war das Thema „Keep Your Eye on The Planet“ gestellt worden. Es meint eine bewusst beobachtende, engagierte Aktion für den Planeten Erde, den wir eigentlich wie unseren Augapfel hüten sollten.
So reichten Textilkünstler aus vielen europäischen Ländern insgesamt 113 textile Bilder im Format 60 x 60 ein. Eine Jury aus drei Textilkünstlern wählte 45 Werke aus den Einsendungen aus. Diese werden jetzt bis zum 21. August in Nettetal zu sehen sein, danach wandert die Ausstellung weiter ins Elsass. Die Kombination von europäischer und afghanischer Bildsprache ist überaus spannend. Doch allein schon die von den afghanischen Frauen gestickten Augen sind in ihrer Unterschiedlichkeit faszinierend. In den Bildern werden sie in Gesichter, Tiere, Bäume oder als freischwebendes Symbol eingearbeitet. Die Schweizer Künstlerin Maria Stiller hat drei Augen in ihr Werk „Overlook“ eingebracht, darüber schwebt ein eigenes filigran gesticktes Porträt.
Das Stickbild scheint wie
ein Auge Gottes zu weinen
Aus dem Rahmen fällt auch die Arbeit „We are all migrants on our earth“ der Französin Michèle Hochard. Die gestickten Augen sind in dieser schwarz-weiß-gehaltenen Weltkarte mit Flüchtlingsströmen die einzige Farbigkeit. Und manchmal scheint das Stickbild wie ein Auge Gottes in den Wolken zu weinen, wenn das Boot mit Flüchtlingen kentert und die Insassen ertrinken. Die Augen von Quallen wachen über die bedrohte Korallenwelt, die Augen der Fische sehen betrübt das Plastik im Meer. Schon eifern die Kinder ihren „Stickmüttern“ nach. Das Projekt Guldusi geht vielversprechend weiter. Und in der Pop-Up-Scheune an der Hochstraße 73 in Lobberich gibt es am Mittwoch, 27. Juli, zwischen 17 und 21 Uhr, einen Workshop, wie kleine Stickereien in Textilien einzuarbeiten sind.