Die Zukunft des Einzelhandels

Der Stadtrat soll in der kommenden Woche über das Konzept für den Einzelhandel entscheiden. Die WZ sprach mit Stefan Kruse, der das Werk erarbeitet hat.

Viersen. Wie und wo soll sich der Viersener Einzelhandel entwicklen? Diese Frage soll das Einzelhandels- und Zentrenkonzept beantworten. Über die Perspektiven des Einzelhandels in Viersen sprach die WZ mit Stefan Kruse vom Dortmunder Büro „Junker und Kruse — Stadtforschung/Planung“, das das Konzept erarbeitet hat.

Herr Kruse, warum braucht Viersen ein Einzelhandelskonzept?

Stefan Kruse: Es bietet den Handlungsrahmen und die Entscheidungsgrundlage für Politik und Verwaltung. Wenn eine Kommune zum Beispiel einen Bebauungsplan auf den Weg bringt, ist das Einzelhandelskonzept eine wichtige Entscheidungs- und Abwägungsgrundlage. Darüber hinaus haben bereits vorhandene und künftige Händler sowie Investoren Planungs- und Investitionssicherheit, weil das Konzept Auskunft darüber gibt, wo und in welcher Form Handel in der Stadt möglich ist. Außerdem kann die Wirtschaftsförderung Investoren mit Hilfe des Konzepts auf bestimmte Standorte lenken.

Wie ist Viersens Einzelhandel aufgestellt?

Kruse: Im Großen und Ganzen ist Viersen gut aufgestellt. Die Stadt hat ein durchschnittliches Kaufkraftniveau mit leicht rückläufiger Tendenz. Vor allem im Bereich Lebensmittel ist die Stadt gut ausgestattet. Es fehlen Spielwaren, Unterhaltungs- und Haushaltselektronik und Baumarktsortimente.

Und Namen, die ziehen?

Kruse: Man denkt immer gerne gleich an die Großen. Aber es ist müßig, sich damit auseinanderzusetzen. Die einschlägigen Mode- und Elektronik-Ketten zum Beispiel haben Mindestvoraussetzungen, die sie an einen Standort knüpfen — ohne sich näher mit der konkreten Stadt auseinanderzusetzen.

Wo besteht also Handlungsbedarf?

Kurse: Das Besondere an Viersen ist die Dreiteilung Alt-Viersen, Süchteln, Dülken. Und die ist gleichzeitig für den Einzelhandel ein Problem. Viersen hat nicht die Ausstrahlung, die es von der Einwohnerzahl her haben sollte. Deshalb muss man sich auf das Hauptzentrum, auf die Innenstadt von Alt-Viersen konzentrieren.

Ohne die Entwicklung der anderen Standorte zu vernachlässigen. Größere Einzelhandelseinheiten gehören nach Alt-Viersen; an den anderen beiden Standorten ist die Stadtteil- und Nahversorgung voranzutreiben. Gerade mit Blick auf den demografischen Wandel ist es wichtig, dass Lebensmittelgeschäfte fußläufig zu erreichen sind.

Inwiefern wurden in der Vergangenheit Fehler gemacht, die das vorliegende Konzept verhindert hätte?

Kruse: Ein typisches Beispiel ist das Gierlings-Gelände in Dülken. Das ist für mich eine Fehlentwicklung, weil es Kaufkraft und Umsatz aus dem Zentrum abzieht. Die Melcherstiege, deren Entwicklung damals schon im Gespräch war, wäre sicherlich der geeignetere Ort gewesen, weil man den Einzelhandelsbereich an das Stadtteilzentrum hätte anbinden können.

In Mönchengladbach sollen 2014 die Arcaden mit 110 Ladenlokalen eröffnen. Welche Auswirkungen wird das auf den Viersener Einzelhandel haben?

Kruse: Es wird Auswirkungen haben. Kaufkraft wird in Viersen sicherlich verloren gehen. Diese Art von Einkaufen wird von den Kunden angenommen.

Wurde das Gladbacher Vorhaben in Ihrem Konzept bedacht?

Kruse: Nein. Das jetzige Konzept legt Grundlagen des Einzelhandels fest. Natürlich guckt man immer, was passiert in den Städten drum herum. Die Frage, ob man in Viersen genau so etwas macht oder doch nicht eher auf eine andere Karte setzt, wird man sich stellen müssen.

Aus der Struktur Viersens ein individuelles Leitbild zu entwickeln wäre jetzt der nächste Schritt, um der Entwicklung im Oberzentrum Mönchengladbach etwas entgegenzusetzen — und das muss nicht zwangsläufig nur etwas mit Einzelhandel zu tun haben.