Demo in Viersen Demo gegen AfD-Veranstaltung
Viersen. · In der Spitze demonstrierten rund 200 Teilnehmer in Süchteln für ein vielfältiges Viersen. Redner warnten vor „Hass und Misstrauen“.
(mrö) Rund 200 Menschen haben am Samstagabend auf dem Lindenplatz in Viersen-Süchteln friedlich für ein weltoffenes und vielfältiges Viersen demonstriert, als Reaktion auf eine zeitgleich stattfindende AfD-Veranstaltung zum Thema „Wahlkampf 2020“ mit dem Nettetaler AfD-Bundestagsabgeordneten Kay Gottschalk im Weberhaus. Ein Polizeisprecher sprach von einem „super friedlichen Verlauf“ der Demonstration. Alle Teilnehmer trugen Mund-Nasen-Schutz.
Organisator Mirko Danek vom Aktionsbündnis „Kreis Viersen stellt sich quer“ zeigte sich erfreut, dass innerhalb weniger Tage so viele Teilnehmer zusammengekommen waren. „Wir haben bewusst nur in Viersen zu der Teilnahme aufgerufen“, sagte er. „Wir wollten keinen ,Demo-Tourismus’.“ Unter den Demonstranten waren auch Vertreter aller Ratsfraktionen in Viersen. Besonders beeindruckt zeigten sich die Demonstranten von dem spontanen Redebeitrag eines jungen Mannes mit Migrationshintergrund.
Alt-Bürgermeister sprach
„herzliche Begrüßung“ aus
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Gottschalk erklärte nach der Veranstaltung, er habe den Verlauf der Demonstration nicht als „friedlich“ erlebt. „Ich hörte, wie einige Demonstranten sagten: ,Da ist der Gottschalk, dem würde ich gern eine reinhauen.’“ Die Polizei habe ihm die dringende Empfehlung gegeben, nicht zu den Demonstranten zu gehen. Alt-Bürgermeister Günter Thönnessen (SPD) sprach eine Stunde vor Beginn der AfD-Veranstaltung all jenen eine „herzliche Begrüßung“ aus, „die mit ihrem Kommen ein deutliches Zeichen setzen wollen“. Thönnessen: „Das herzliche Willkommen gilt natürlich nicht für diejenigen, die sich gleich im Weberhaus treffen. Denen rufen wir zu: ,Wir brauchen Euch nicht. Wir wollen Euch nicht. Geht nach Hause und haltet den Mund.’“ Geht man so miteinander um unter Demokraten? „Demokraten sollten sich offen, auch hart, über Themen streiten“, so Thönnessen. „Das gilt für Demokraten untereinander, aber die AfD ist für mich und wohl für uns alle die antidemokratische Speerspitze von gesellschaftlichen Strömungen, die außerhalb unserer demokratischen Grundordnung stehen“, sagte Thönnessen unter dem Beifall der Demonstranten.
Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD) erklärte, im Wahlprogramm der AfD fänden sich rassistische, frauenfeindliche und undemokratische Inhalte. „Eine demokratisch gewählte Partei macht Stimmung gegen unsere Demokratie!“, warnte die Bürgermeisterin. Anemüller appellierte an die Vertreter aller politischen Parteien und der Gesellschaft: „Neben den Diskussionen um Sachthemen müssen wir gemeinsam eine Front bilden mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gegen Rechtsextremismus und gegen die AfD.“ Ziehe die AfD am 13. September in den Viersener Stadtrat ein, könne dies Hass und Misstrauen und verbale Attacken zur Folge haben.„Und die sind oft ein Nährboden für schlimme Taten“, sagte die Bürgermeisterin. „Ich bin aber überzeugt: Viersen ist stärker.“ Dialog sei nach wie vor das Schlüsselwort der Demokratie, betonte Anemüller: „Wir müssen die unzufriedenen oder verunsicherten Menschen überzeugen, dass die AfD keine Alternative ist.“
AfD war mit Klage vor dem Verfassungsgericht gescheitert
CDU-Bürgermeisterkandidat Christoph Hopp sagte: „Ich bedanke mich bei den Menschen, die gekommen sind, die laut sind, die hier ihre Stimme erheben.“ Rassismus finde vor der eigenen Haustür statt – „wenn wir nicht dagegen aufstehen“, so Hopp. „Ich bin froh, dass das in unserem Süchteln klappt!“ Parteiübergreifend sei die Überzeugung festzustellen, „dass die AfD die Erosion der politischen Kultur erreichen will“, sagte Hopp. Er rief den Demonstranten zu: „Bunt ist meine Lieblingsfarbe!“ Der Süchtelner Ortsbürgermeister Wolfgang Genenger (CDU) erinnerte an die Erstürmung der Reichstagstreppe vor gut einer Woche, an der sich unter anderem ein Mitglied der AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative beteiligt hatte. „Sie stehen auf der Seite der Reichstagsstürmer und prangern angebliche Polizeigewalt an“, kritisierte Genenger. Martina Maaßen, Bürgermeisterkandidatin der Grünen, nannte es in ihrer Rede „erschreckend“, dass es sowohl NPD wie auch AfD gelungen sei, für die Kommunalwahl am 13. September für alle 25 Wahlbezirke in Viersen Kandidaten zu benennen. „Das sind 50 Viersener, die aus ihrer Einstellung keinen Hehl machen.“ Maaßen forderte: „Keinen Millimeter nach Rechts!“
Auch der linke Bürgermeisterkandidat Simon Männersdörfer, der Landratskandidat der Partei, Jörg Otto von Gierke, und der Vorsitzende der Jusos im Kreis Viersen, Steffen Hahn, sprachen zu den Demonstranten in Süchteln.
Besonders beeindruckt zeigten sich die Teilnehmer der Demonstration von dem spontanen Redebeitrag des früheren Schülersprechers der Johannes-Kepler-Realschule – Florind hat Migrationshintergrund, wurde in Deutschland geboren. „Meine Eltern sind nach Deutschland geflüchtet“, berichtete er – und davon, was für ihn das Leben in Deutschland, das Deutsch-sein ausmache: „eine Gesellschaft, in der man akzeptiert ist, die Freude über die Verfassung“, nach der alle Menschen gleich sind. „Dann fühle ich mich als Deutscher.“
Die AfD war mit ihrer Klage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf gescheitert, die Veranstaltung in der Albert-Mooren-Halle in Grefrath durchzuführen. Der Pächter dort hatte den Saal nicht an die AfD vermietet, als Begründung Sicherheitsbedenken angegeben. Die Veranstaltungshalle gehöre zwar der Gemeinde Grefrath, werde jedoch von einem privaten Unternehmen betrieben, an dem die Gemeinde nicht beteiligt sei, erklärten die Richter zu ihrer Entscheidung. Laut Vertrag dürfe der Pächter selbst entscheiden, wem er die Halle überlässt. Deshalb könne der AfD-Kreisverband nicht von der Gemeinde verlangen, dass sie auf den Pächter einwirkt, damit die AfD dort eine Wahlkampfveranstaltung abhalten darf, so das Gericht.
Ein Sprecher der Stadt Viersen hatte am Donnerstag erklärt, dass die Verwaltung die AfD-Veranstaltung genehmigen musste. „Das Weberhaus in Süchteln ist eine öffentliche Einrichtung, das laut Satzung grundsätzlich auch für politische Veranstaltungen zur Verfügung steht.“