Prozess um Menschenraub in Viersen Haft und Bewährung für Angeklagte — „unfassbare Brutalität“
Viersen/Mönchengladbach · Noch heute leidet der junge Mann unter dem, was er drei Tage lang in einem Keller in Viersen erdulden musste.
Als „eine unfassbare Brutalität“ bezeichnete der Richter Christof Wuttke vor der zweiten Großen Strafkammer des Mönchengladbacher Landgerichts das, was ein damals 20-Jähriger über drei Tage in einem Viersener Keller erdulden musste. Dorthin war der Düsseldorfer verschleppt worden. Verantwortlich für sein Martyrium war nicht nur ein Viersener (damals 22).
Diesem wurde als Hauptangeklagtem jetzt der Prozess gemacht wegen räuberischen Menschenhandels, versuchter schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung, Auch gegen seinen Mitangeklagten wurde jetzt am zehnten Verhandlungstag das Urteil verkündet. Dabei blieb das Gericht im Fall des Hauptangeklagten nur gering unter der Forderung des Staatsanwalts: Dieser wurde zu einer neunjährigen Haftstrafe verurteilt. Sein Komplize, der den Kellerraum zur Verfügung gestellt hat, kam mit einer Bewährungsstrafe davon. Außerdem muss er in den kommenden zwei Jahren 200 Sozialstunden ableisten. Die Staatsanwaltschaft hatte für den Haupttäter eine Haftstrafe von neun Jahren und sechs Monaten gefordert.
Was geschehen war: Der Geschädigte habe die Kosten für einen Mietwagen übernehmen sollen und war von Düsseldorf nach Viersen verschleppt worden. Dort wurde er in dem Keller des zweiten Angeklagten festgehalten und schwer misshandelt, unter anderem mit einem Teleskopstab gefoltert, auch Zigaretten seien auf seinem Körper ausgedrückt worden, hatte das Opfer ausgesagt. Noch heute leide es an den Folgen der Misshandlungen, sowohl physisch, als auch psychisch. Der junge Mann aus Düsseldorf nahm gestern an dem Prozess teil, seine Mutter begleitete ihn.
Der Haupttäter hatte gestern zu verstehen geben lassen, dass ihm die finanziellen Mittel für einen Täter-Opfer-Ausgleich fehlten. „Es war nicht menschlich, was ich gemacht habe“, gab er über seinen Verteidiger Markus Kluck bekannt. Und: Er wolle voll und ganz für seine Tat einstehen. „Wir nehmen das zur Kenntnis“, sagte die Anwältin des Geschädigten, Anja Riemer-Uwer. Sie und der Richter sahen das Verhalten des Angeklagten durchaus kritisch: „Er hat unterschiedliche Angaben gemacht, sein Teilgeständnis kam relativ spät“, kritisierte Christof Wuttke. Der Angeklagte habe eine „sehr brutale Tat, die zudem lange gedauert hat, begangen“, außerdem sei er vorbestraft. Und er habe eine erhöhte kriminelle Energie an den Tag gelegt.
Lob vom Richter gab es für das Opfer: Es habe trotz hoher psychischer Belastungen gute Aussagen gemacht. Das mögliche Strafmaß bewege sich zwischen fünf und 15 Jahren. Von einem minderschweren Fall könne auf keinen Fall die Rede sein.
Der zweite Angeklagte wurde wegen der Beihilfe verurteilt. Was für ihn spreche: Er hatte, anders als sein Begleiter, ein umfassendes Geständnis abgelegt, außerdem hat es Zahlungen über den Täter-Opfer-Ausgleich hinaus gegeben. „Er hätte aber anonym die Polizei anrufen können“, warf ihm der Richter vor. Man habe gerade noch so eine Mittäterschaft verneinen können. Schon aus diesem Grunde fiel die Strafe für ihn mit zwei Jahren Haft auf Bewährung und den 200 Sozialstunden verhältnismäßig mild aus.
Strafverteidiger Carsten Arts gab noch im Gericht eine Rechtsmittelverzichtserklärung ab. Sein Kollege Markus Kluck, der den Haupttäter vertritt, gab nach dem Urteilsspruch zu verstehen: „Ich denke, wir gehen ins Rechtsmittel.“
Der Haupttäter aus Viersen, der zur Tatzeit 22 Jahre alt war, nimmt Drogen. Die geplante Vorgehensweise interpretierte die Anwältin des Opfers, Anja Riemann-Uwer so: „Eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist bei hohen zu erwartenden Haftstrafen erstrebenswert, weil nach erfolgtem Entzug keine Strafe erfolgt.“ Was sie beklagte: „Der Hauptangeklagte hat fast bis zum Schluss keine Reue gezeigt.“
Ob sie und ihr Mandant mit dem Urteil zufrieden sind? „Zufriedener wären wir, wenn die Tat gar nicht geschehen wäre.“