Kreis Viersen Meldungen zu gefährdeten Kindern steigen

Kreis Viersen. · Mitarbeiter der Jugendämter gingen im vergangenen Jahr 549 Fällen möglicher Kindeswohlgefährdung im Kreis Viersen nach. Der Hilfebedarf in den Familien ist groß.

Im Kreis Viersen mussten die Jugendämter im vergangenen Jahr mehr als 500 mal eingreifen.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

2018 hat es im Kreis Viersen 549 sogenannte Verfahren zur Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls gegeben – mehr als doppelt so viele wie vor fünf Jahren. Tatsächlich waren 80 Kinder akut gefährdet (2013: 35), 95 Mädchen und Jungen in latenter Gefahr (34). 204 Kinder waren zwar nicht gefährdet, aber die Familien hatten Hilfebedarf (88). Beim Rest handelte es sich um „blinden Alarm“. Das geht aus einer Statistik des Landesbetriebs Information und Technik (IT NRW) hervor.

Nicht nur im Kreis ist die Zahl der Verdachtsfälle, dass Kinder misshandelt oder vernachlässigt werden könnten, gestiegen. In NRW erhöhte sie sich innerhalb von fünf Jahren von knapp 30 000 auf fast 44 000. Über die Ursachen könne man spekulieren, teilt ein Sprecher der Kreisverwaltung mit. Mögliche Gründe seien ein Anstieg junger, unerfahrener Eltern. Und: „Die Bevölkerung ist in den vergangenen Jahren aufmerksamer“, so der Sprecher. „Es gibt ein gutes Netzwerk mit den Kinderärzten, Kliniken, Schulen und Kindergärten.“

Dass ihre Mitarbeiter deutlich mehr zu tun haben, bestätigen auch die Städte Viersen und Nettetal mit eigenen Jugendämtern. Durch gezielte Aufklärung und Maßnahmen wie Fortbildungen sei eine höhere Sensibilisierung bei Institutionen und Personen erreicht worden, heißt es aus Viersen als Erklärung für den Anstieg der Meldezahlen: „Auch die Präsenz verschiedener Fälle in den Medien führt zu einer erhöhten Wachsamkeit.“ Auch in Nettetal gebe es mehr Meldungen von Institutionen als früher. Mit regelmäßigen Schulungen gehe das Jugendamt etwa in Lehrerkonferenzen. Kreisweit stieg die Zahl der Meldungen aus Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten von 33 im Jahr 2013 auf 71 im vergangenen Jahr.

Der Kreis Viersen liegt mit
seinen Zahlen im Mittelfeld

Der Kreis Viersen liegt mit den Zahlen (siehe Info-Kasten) etwa im Mittel des Regierungsbezirks Düsseldorf, wo es 2018 insgesamt knapp 13 000 Verfahren gab. Im Kreis Kleve waren es im vergangenen Jahr 409 Meldungen und 42 akute Fälle, im Kreis Mettmann 1153 und 116, im Rhein-Kreis Neuss 848 und 99 und im Kreis Wesel 512 und 66. Bei den Städten in der Region liegt Mönchengladbach auf einem ziemlich hohen Niveau, was die Zahl der akut gefährdeten Kinder angeht. In Düsseldorf, wo mehr als doppelt so viele Menschen leben, waren es laut IT NRW im vergangenen Jahr 62 Kinder, in Krefeld 86 Mädchen und Jungen, bei denen die Jugendämter sofort einschreiten mussten.

Eine akute Kindeswohlgefährdung wird nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angenommen, wenn „eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr vorliegt, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schärfung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt“. Dies können Verletzungen infolge von Misshandlungen sein oder auch die Unter- oder Nichtversorgung eines Kindes. Latente Kindeswohlgefährdung meint, dass die richtige Versorgung des Kindes auf Dauer nicht gewährleistet sein kann, beispielsweise bei einer Sucht- oder psychischen Erkrankung der Eltern oder eines Elternteils – „oder wenn die elektronischen Geräte die persönliche Zuwendung auf Dauer ersetzen“, heißt es vom Kreis.

In den Zuständigkeitsbereich des Kreisjugendamts fallen die Stadt Tönisvorst sowie die Gemeinden Brüggen, Schwalmtal, Niederkrüchten und Grefrath. Dort gab es laut Kreis vergangenes Jahr 137 Gefährdungseinschätzungen mit 24 akuten und 36 latenten Kindeswohlgefährdungen. 32 mal lag keine Gefährdung vor, es habe aber Unterstützungsbedarf gegeben, in 45 Fällen gab es weder eine Gefährdung noch brauchte die Familie Hilfe. In der Stadt Viersen gab es 93 Verfahren, davon 13 mit akuter, 15 mit latenter Gefährdung. In 34 Fällen lag keine Gefährdung vor, die Familie brauchte aber Unterstützung. In Nettetal gab es im vergangenen Jahr 148 Anzeigen zu einer möglichen Kindeswohlgefährdung. In 24 Fällen wurden die Kinder direkt bei Verwandten, in Pflegefamilien oder in der pädagogischen Ambulanz untergebracht, in 18 Fällen konnte eine akute Gefährdung nicht ausgeschlossen werden, und in 106 Fällen folgten Beratung und Unterstützung.