Eier mit Speck 2019 in Viersen „Eier mit Speck“: Familientreffen beendet

Viersen. · Das Musikfestival in Viersen endete gestern. Und zeigte wieder einmal, warum es so familiär und damit so einzigartig ist.

Ein Bild, das deutlich macht: Am Hohen Busch herrschte volle Hütte

Foto: Dieter Mai

„Eier mit Speck“ ist vorbei. Am Freitag war das dreitägige Musikfestival gestartet, hallte die talentierte Stimme von Marissa Möller über den Hohen Busch in Viersen. Marissa Möller muss man nicht kennen, was despektierlich klingen mag, aber nicht so gemeint ist. Ihre Band Molass hatte zwar keinen Nummer-1-Hit in den Charts, aber sie gewann den Young-Talents-Band-Contest in Viersen. Damit fiel den Nachwuchs-Musikern die ebenso ehrenvolle wie schwere Aufgabe zu, „Eier mit Speck“ zu eröffnen. Auf der großen Bühne. Ein bisschen Jazz, ein wenig Pop, viel Neo Soul. Vor einigen Hundert Zuhörern. Die jetzt wissen, dass man Marissa Möller nicht kennen muss, aber kennen sollte. Nachwuchsförderung ist das - bei „Eier mit Speck“ steht sie seit Jahren an der ersten Stelle des Line-ups.

Musikfestivals gibt es auf der Welt wie Sand am Strand. „Eier mit Speck“ in Viersen ist einzigartig. Weil es so familiär ist. So entspannt. So aufregend unaufgeregt.

Keiner weiß, wieso sie Hedwig heißt. Hauptsache, sie ist da

Das fängt bei den zahlreichen freiwilligen Helfern an, die ehrenamtlich Bier ausschenken, Müll aufsammeln oder Wertmarken verkaufen. Es geht über dieses großartige Frühstück, das im Preis der Eintrittskarte enthalten ist und dem Festival seinen Namen gab. Und es hört beim überschaubaren Preis der Tickets nicht auf.

Wenn „Eier mit Speck“ ist, ist das eine Art Familientreffen. „Guck mal, die Frau mit dem Frettchen ist auch wieder da!“, hört man an der Dusche. Gleich nebenan begrüßt sich eine Gruppe, die sich ein Jahr nicht mehr gesehen hat – seit „Eier mit Speck“ 2018. In der Zeltstadt gibt es Dutzende Rituale. Der Mann, der immer einen Weihnachtsbaum aufbaut. Die Jungs, die immer eine Minigolf-Bahn mitbringen (mit dem Hinweisschild „Gefühlvoll einlochen“).

Natürlich legen die Festivalbesucher Wert auf eine anständige Garderobe. Wer seinen Blick über die Köpfe der Zuschauer schweifen lässt, erlebt ein Fast Forward durch die Frisurengeschichte der vergangenen 50 Jahre. Vom lichter werdenden Langhaar, das wahrscheinlich schon zu Woodstock-Zeiten wucherte, bis zum Undercut, stilecht in Kombination mit dem Hipster-Bart. Abends an der Kaffeebar, rechts vor der Bühne, läuft dann die Viersener Society auf. Oder die, die sich dafür halten. Kurz: Der Unterhaltungsfaktor des Festivals ist hoch.

Auch und gerade für Kinder. Von denen turnen eine ganze Menge auf dem Festival herum. Oder besser: hopsen. Auf einer großen Hüpffläche, die die Stadt am Wochenende zur Verfügung stellt. Mit den „Micky Mäusen“ auf den Ohren, damit die Dezibel nicht zum Drama werden. Die gibt’s bei Hedwig. So heißt der grüne Oldtimer-Wohnwagen, bei dem Wertmarken, Luftballons und eben Ohrenschützer über die Theke gereicht werden. Warum Hedwig Hedwig heißt? Weiß kein Mensch. Ist auch nicht wichtig. Wichtig ist, dass Hedwig immer da ist, wenn „Eier mit Speck“ ist.

Nächstes Jahr gibt es das Open Air zum 15. Mal. Eigentlich ein Wunder. Denn bei der Premiere waren in der letzten Woche vor dem Festival gerade mal 100 Karten verkauft. „Ich verstehe bis heute nicht, warum wir keinen Herzinfarkt bekommen haben“, sagte Mitorganisator Jürgen Haigh im Rückblick. Vermutlich deshalb: Weil am Ende für den Freitag 900 Karten verkauft wurden, für den Samstag 1400 und für den Sonntag 600. Damit kamen die Veranstalter plus-minus null aus der Nummer raus. „Ich würde sagen, es ist ein Qualitätsmerkmal für ein neues Festival, wenn der Veranstalter nicht direkt pleite ist“, fasste Mitorganisator Christoph „Tappi“ Tappesser die Situation mit einem guten Schuss guten Humors zusammen. Damals wurden noch Tausende Eier von Hand aufgeschlagen für das Frühstück. Mittlerweile behilft sich die Crew mit einer Flüssig-Ei-Mischung aus Tetra-Paks, sonst wäre das Frühstück noch am nächsten Morgen nicht fertig.

„Eier mit Speck“ ist nicht so kommerziell wie Parookaville in Weeze, auch wenn in diesem Jahr erstmals der örtliche Edeka-Betreiber mit einem temporären Supermarkt auf dem Gelände am Hohen Busch präsent ist. Es ist nicht so groß wie das zeitgleich stattfindende Juicy Beats in Dortmund. Es ist nicht so bierernst wie das Haldern Pop – am Samstag trieben Reis against the Spülmaschine selbst dem hartgesottensten Metaller die Lachtränen in die stahlharten Augen, als sie berühmte Stadionhymnen von Grönemeyer bis Rammstein mit Nonsenstexten verhohnepipelten.

Es ist vielleicht das Festival, bei dem die Bands zur schönsten Nebensache werden. Sie liefern den Soundtrack für drei Tage. Klar, mit diesen großen Glücksgefühlen kokettieren alle Open-Air-Festivals, von SonneMondSterne („inneres Blümchenpflücken“) bis Parookaville („tiefes Gefühl von Glückseligkeit und Erfüllung“). In Viersen gibt’s eine geerdetere Fassung des Glücks. Sie ist fettiger, speckiger. Sie ist authentischer. Und sie ist für alle Altersklassen.