Auch der Autor dieser Zeilen erinnert sich gerne ein paar Jahre zurück, als er im Rahser auf der vier Meter hohen Leiter stand, um seiner Liebsten den bunten Maibaum an der vorher heimlich befestigten Schnur festzubinden. Damals war ein Trupp Jugendlicher zwischen 16 und 20 Jahren unterwegs und verteilte insgesamt fünf Maibäume im Stadtgebiet – jeder Freundin der fünf jungen Männer einen. In der Nacht zu Donnerstag wird das nicht anders sein. Doch so mancher Verliebte muss seinen Baum am Mittwoch, 30. April, noch besorgen.
Woher nehmen, wenn nicht stehlen, mag die Frage aller Fragen sein. „Eigentlich muss ein echter Maibaum selbst geschlagen werden“, sagt auch Daniel Ingmanns von der Viersener Waldjugend. Doch sofern es auf dem eigenen Grundstück oder dem der Eltern keine Birken gibt, wird das schwierig. Einfach in einen Wald zu gehen und am nächstbesten Baum mit weißer Rinde die Säge anzusetzen, ist illegal. Es ist nicht nur Diebstahl, auch Birken haben im Wald ihre Aufgabe und dürfen nicht einfach so gefällt werden.
Deshalb verkauft die Waldjugend am Mittwoch ab 9 Uhr morgens am Hohen Busch Maibäume. „Wir werden rund 300 Stück da haben“, sagt Ingmanns. Die Birken werden drei bis fünf Meter hoch sein. „Wenn jemand nur einen ganz kleinen Maibaum mit einem Meter haben möchte oder jemand etwas ganz großes mit acht Metern oder mehr, kann er uns auch ansprechen“, so der Maibaum-Profi, der selbst sagt, dass er wohl die meisten Maibäume eines Jahrgangs persönlich in den Händen hält.
In Rücksprache mit der Stadt Viersen werden die Bäume in einem festgelegten Waldstück einen Tag vorher gefällt. Dabei ist genau abgesprochen, wie viele Bäume entnommen werden dürfen. Die werden dann allesamt zum großen Parkplatz neben der Minigolfanlage am Hohen Busch gebracht und dort dann ab Mittwochmorgen verkauft. Je nach Größe der jeweiligen Birke, liegen die Preis zwischen 50 Cent und 15 Euro. Da der komplette Erlös für die Waldjugend ist, kann bei knapper Kasse auch mal ein Auge zugedrückt werden. „Ich kenne meine Pappenheimer und manche drücken mir immer zehn Euro in die Hand“, weiß Ingmanns.
Früher habe die Stadt den Verkauf noch selbst organisiert. Doch dann würden die Bäume heute deutlich teurer sein. Die Waldjugend ist daher froh, hier aushelfen zu können, gleichzeitig die Tradition aufrecht zu erhalten und nebenbei die eigene Kasse ein bisschen aufbessern zu können. „Wir stehen auch gerne jedem mit Rat und Tat zur Seite“, erklärt Ingmanns. Wer also nicht weiß, wie er den Baum befestigen soll, dann wird ihm genauso geholfen, wie bei Fragen rund ums Schmücken. Wer möchte, kann sogar direkt buntes Kreppband mit kaufen.
Denn das bunte Papierband ist der traditionelle Schmuck der Maibäume. Diese bleiben dann einen Montag lang stehen und werden zum 1. Juni von denen, die sie aufgestellt haben auch wieder entfernt. Wenn sie nicht vorher entfernt werden müssen, weil sie Schilder oder andere Verkehrszeichen verdecken. Denn das sollten Maibäume nicht.
Bei der Frage nach den potenziellen Kunden muss Ingmanns lachen. Denn neben Jugendlichen kommen nahezu alle Altersgruppen zum Baumverkauf. Da gibt es die 4-jährigen Jungs, die ihrer Kindergartenfreundin gerne einen kleinen Maibaum setzen wollen oder auch rüstige Rentner. Letztere klettern aber eher selten auf die lange Leiter, um ihrer Angebeteten die Birke vor das Fenster zu klemmen. Sie kommen mit dem Jugendlichen Enkel und helfen ihm den ersten Maibaum ihres Lebens auszusuchen.
Und wie war das jetzt mit dem selber schlagen? „Sind wir mal ehrlich, das muss die Liebste doch nicht erfahren, wenn der bei uns gekauft wurde“, meint der Profi mit einem Lächeln. Und besser als sich strafbar zu machen, sei das allemal. Ein kleiner Tipp noch für die Maibaumsetzer: Wer weiß, dass die Liebste eine Birkenpollenallergie hat, sollte den Baum nicht direkt an ihrem Fenster setzen. Das erspart auch eine Menge Ärger – der Autor dieser Zeilen könnte ein Lied davon singen.