Mobilität trotz Handicap Bürgerauto-Pläne für das Grenzland

Grenzland. · Das Angebot soll sich an Menschen richten, die ein Handicap haben oder auf den Rollator angewiesen sind.

Die Menschen in Brüggen, Schwalmtal und Niederkrüchten sollen mobiler werden –- und zugleich unabhängiger von Taxen, Bussen oder dem Bürgerbus. Dafür sollen ab Frühjahr 2020 drei Elektro-Bürgerautos sorgen. Sie gehören zum neuen Mobilitätskonzept, an dem die drei Bürgermeister, Frank Gellen (CDU) in Brüggen, Michael Pesch (CDU) in Schwalmtal und Kalle Wassong (parteilos) in Niederkrüchten arbeiten.

Die Entscheidung liegt nicht bei den Kommunen, sondern bei der Bezirksregierung Düsseldorf. Das Mobilitätskonzept ist ein Projekt, das über die Vital-Region Schwalm-Mittlerer Niederrhein läuft. Um die Formalitäten kümmert sich Sebastian Moritz, Manager für die Vital-Region. Die drei Westkreiskommunen haben sich zu dieser Vital-Region zusammengeschlossen, um gemeinsam Projekte zu realisieren und Förderungen zu erhalten. „Dabei steht Mobilität im ländlichen Raum ganz oben“, sagt Kalle Wassong. Er ist Vorsitzender der mit der Vital-Region verknüpften Lokalen Arbeitsgemeinschaft. Im September wird sich das Projektentscheidungsgremium der Vital-Region mit dem Bürgerauto beschäftigen.

„Wir wollen Menschen, die auf den Rollstuhl oder Rollator angewiesen sind, erreichen“, erklärt Sebastian Moritz beim Interview im Elmpter Rathaus. Ihnen solle durch Bürgerautos ermöglicht werden, am sozialen Leben teilzunehmen und Veranstaltungen zu besuchen. „Bürgerautos sollen keine Konkurrenz zu Taxen oder Bussen sein, sondern eine Alternative für mobilitätseingeschränkte Menschen, die sich etwa kein Taxi leisten können oder würden“, erläutert Wassong. Auch wenn vieles noch gut per Bus erreichbar sei, sei deren Nutzung für Menschen mit Rollstuhl oder Rollator schwierig. Sie könnten das Bürgerauto für Fahrten zum Arzt buchen. Als Zielgruppe nennt Wassong auch Bewohner von Altenheimen, die mobil bleiben wollen.

Vorbild für die drei Kommunen ist der kleine Ort Oberreichenbach im Schwarzwald, 2850 Menschen leben in der Gemeinde. Dort ist das Bürgerauto seit sieben Jahren unterwegs. Und unverändert ein Erfolgsmodell, wie Oberreichenbachs Bürgermeister Karlheinz Kistner (parteilos) sagt: „Das Bürgerauto ist richtig gut für die Bürger.“ Zunächst habe es eine Testphase von einem Jahr gegeben, in der man den Bedarf feststellen wollte. Dass dieser besteht, zeigt die Auslastung: Das Bürgerauto, ein Elektro-Transporter, sei pro Jahr rund 25 000 Kilometer unterwegs. Jährlich kostet es laut Kistner die Gemeinde 17 000 Euro, die Einnahmen liegen bei 3000 bis 4000 Euro. Zudem seien die örtlichen Stadtwerke Sponsor, sie hätten etwa den Leasingvertrag übernommen.

Karlheinz Kistner nennt zwei unverzichtbare Faktoren, damit ein Bürgerauto erfolgreich rollen kann: „Die Handhabung muss möglichst einfach sein.“ So muss jeder Passagier in Oberreichenbach pro Fahrt je nach Distanz ein, zwei oder drei Euro bezahlen. Jede Fahrt kann telefonisch gebucht werden, der Kunde wird an der eigenen Haustür abgeholt. „Ohne Ehrenamtler geht es nicht, man braucht engagierte Menschen“, sagt der Oberreichenbacher Bürgermeister. Am Steuer des Bürgerautos sitzen ehrenamtliche Fahrer. In Oberreichenbach sind das 20.

„Wir befinden uns noch in einem frühen Planungsstadium“, sagt Sebastian Moritz. Bisher habe es Gespräche mit Taxiunternehmern oder Bürgerbus-Vereinen gegeben. In einem nächsten Schritt wird zu klären sein, was die drei Kommunen benötigen und wie groß der Bedarf ist. Dazu sollen Gespräche etwa mit Ärzten, Vertretern von Altenheimen, von den Tafeln und der Jedermann-Hilfe geführt werden. „Wir verfolgen dieses Projekt schon lange und hoffen jetzt auf eine Zustimmung der Bezirksregierung in Düsseldorf“, sagt Kalle Wassong. Gesucht werden noch Sponsoren. Vorstellbar sei die erste Fahrt der Bürgerautos im April 2020.

Im Oktober ist ein Praxis-Check geplant: Dann werden Frank Gellen, Kalle Wassong, Michael Pesch und Sebastian Moritz Oberreichenbach besuchen. Und im Erfolgsmodell Bürgerauto Platz nehmen.