Viersen: Im Wahn die Mutter erstochen

Ein Richter hatte die Unterbringung des 28-Jährigen in der Psychiatrie abgelehnt. Zwei Tage später stach der Mann zu.

Viersen. Die Ärzte wollten ihn in der Psychiatrie behalten, aber ein Richter sah dafür keine rechtliche Handhabe: Ein an Schizophrenie leidender 28-jähriger Viersener hat am Montag vor dem Mönchengladbacher Landgericht gestanden, zwei Tage nach seiner Entlassung seine Mutter erstochen zu haben. Auch den Familienhund "Lucky" soll der Mann mit einem Messer getötet haben.

Der 28-jährige Benjamin R. lebte zusammen mit seiner Mutter in der Wohnung am Beghinenhof in Viersen. Mit acht Stichen soll er sie am 20. Mai getötet haben. Das gab der psychisch kranke Mann in seiner Vernehmung durch Richter Lothar Beckers zu. Auf die Frage, durch wen denn seine Mutter erstochen worden sei, antwortete er: "Durch mich." Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Totschlag vor - begangen im Zustand der Schuldunfähigkeit - und strebt eine dauerhafte psychiatrische Unterbringung an.

Benjamin R. erzählt aus seinem Leben, das nach der Kindergartenzeit in Kattowitz mit dem Abschluss an der Gesamtschule in Viersen und einer Lehre als Fräser bei Schlafhorst zunächst normal zu verlaufen scheint. Aber schon von seiner Kleinkindzeit in Polen sagt er, ein Arzt habe ihm Spritzen gegeben, und er habe dann nur noch geschlafen.

Als Jugendlicher kam er mit Marihuana und Alkohol in Kontakt, beteuert aber, seit Jahren nichts mehr zu nehmen. Auch eine zehnjährige Tochter hat er mit einer früheren Freundin, sieht das Kind aber nie.

Später folgen wirre Sätze. Er könne nicht allein gegen die Natur ankämpfen, deshalb müsse es ja die Unsterblichkeit geben. Sein Vater habe ihn ermorden wollen. Auch für den Tod der Mutter soll der Vater verantwortlich sein: "Er hat mich geschubst, geistig durchgedrückt." Als Angehörige den Gerichtssaal betreten, zeigt er auf sie: "Die ganze Truppe will mich auch umbringen."

Benjamin R. war zwei Tage vor der Tat aus der Viersener Landesklinik entlassen worden - weil ein Richter am Amtsgericht Viersen keine Möglichkeit sah, ihn zwangseinweisen zu lassen. Während es aus der Landesklinik hieß, man habe dem Gericht die Eigen- und Fremdgefährdung klargemacht, wies das Gericht jeden Vorwurf zurück: "Es gab keine rechtliche Handhabe."

Auf Nachfrage des psychiatrischen Gutachters sagt Alice K. (25), die Enkelin der Toten, aus: Ihre Oma habe Benjamin R. in ihrem Beisein mit einem Küchenhandtuch geschlagen, als er dieser "einen dummen Spruch gedrückt" habe. Der junge Mann sei nach den Schlägen in sein Zimmer gegangen, und alles sei in Ordnung gewesen. Gesprochen habe man über den Vorfall nie.

Am Dienstag legt der Psychiater sein Gutachten vor. Das Urteil wird für den 28. September erwartet.