Corona-Virus in Norditalien Viersenerin flüchtet vor Corona-Quarantäne
Viersen · Dana Bildau musste ihr Auslandssemester in Italien wegen des Virus’ abbrechen. Die Rückreise war nervenaufreibend.
. Dana Bildau ist einfach nur erleichtert. Sie hat es geschafft, Norditalien sicher zu verlassen. „Ich hatte Angst, dass auch unser Dorf wegen des Corona-Virus abgeriegelt wird und wir dort bleiben müssen“, erzählt die 21-jährige Viersenerin. Sie hatte zwar selbst keinen Kontakt zu Erkrankten, wohnte seit drei Wochen im 15 000-Einwohner-Städtchen Castellanza, rund eine halbe Stunde von Mailand entfernt. An der dortigen Università Carlo Cattaneo hatte sie Kurse für ihr Studium „International Marketing“ an der Fontys-Hochschule in Venlo belegt. „Das Corona-Virus haben wir bis Samstag gar nicht so wahrgenommen“, schildert die junge Frau. Zwar habe sie zuvor von Dörfern in der Nähe gehört, die nach Corona-Fällen unter Quarantäne gestellt worden waren. Aber noch war das Virus für die Viersenerin eine eher entfernte Bedrohung – bis die Studentin am Samstag einen Brief von der Universität erhielt. Darin wurde die Schließung der Uni aus Sicherheitsgründen bis zum kommenden Montag angekündigt.
Zurück in Viersen, hat sich Bildau untersuchen lassen, auch wenn sie selbst überhaupt keinen direkten Kontakt zu dem Virus hatte. „Der Arzt hat mir zwar gesagt, das sei unnötig, da ich weit genug entfernt war.“ Aber sie habe jeden Verdacht auf eine Erkrankung ausschließen wollen. Das kann sie jetzt.
In Italien ist die Zahl der Corona-Toten am Montagabend auf sieben gestiegen. Mehr als 220 Menschen sind dort infiziert, die meisten Fälle sind in der norditalienischen Region Lombardei gemeldet. Das Virus hat drastische Auswirkungen auf das öffentliche Leben: Auch in Venetien sind seit Montag öffentliche Einrichtungen geschlossen, Veranstaltungen zum berühmten Karneval in Venedig wurden abgesagt. So will die Regierung die Ausbreitung des Virus verhindern. In der Nacht zu Montag war zudem der Bahnverkehr über den Brenner für vier Stunden eingestellt worden. Bei zwei Frauen in einem Nachtzug bestand Verdacht auf eine Infektion mit dem Corona-Virus; er bestätigte sich nicht.
„Als wir erfahren haben, dass Großveranstaltungen wie Konzerte und der Karneval in Venedig abgesagt wurden, haben wir uns schon Sorgen gemacht“, erzählt Dana Bildau. Die italienischen Kommilitonen seien die Ersten gewesen, die in ihre Heimatstädte und -dörfer abgereist seien. Im Studentenwohnheim, wo sonst rund 400 Menschen leben, darunter Deutsche wie Dana Bildau, aber auch Belgier oder Niederländer, sei es plötzlich spürbar leer geworden. „Jeder hat versucht, nach Hause zu kommen“, sagt die 21-Jährige. Die anfängliche Freude über eine Woche geschenkter Zeit nach der plötzlichen Schließung der Universität habe sich rasch gewandelt. „Erst haben wir ja noch gedacht: Nutzen wir die Zeit, um etwas rumzureisen“, sagt Dana Bildau. Doch dann sei die Unsicherheit gekommen – und mit ihr die Sorge, auch Castellanza womöglich nicht mehr verlassen zu können. „Das leere Studentenwohnheim, das war schon ein unheimliches Gefühl.“ Verstärkt wurde das Gefühl von Handybildern, die ihr Freunde geschickt hatten: Diese zeigten leere Regale in einem nahen Supermarkt – Hamsterkäufe aus Furcht vor Covid-19.
Auch sie versuchte jetzt mit zwei Freunden, so schnell wie möglich nach Deutschland zurückzukehren. Die erste Option war ein Flug: „Doch Tickets nach Düsseldorf oder Köln sollten 300 Euro kosten.“ Nur kurz vorher hatte die Viersenerin noch Tickets für 50 bis 100 Euro gesehen. „Notfalls hätten wir das auch bezahlt. Aber wir haben uns für eine Fahrt im Flix-Bus nach Frankfurt entschieden“, erzählt sie. Zunächst reiste die Gruppe nach Mailand. Ursprünglich sollte der Bus um 0.50 Uhr nach Frankfurt abfahren, doch die Abfahrt verzögerte sich. An der Grenze hatte die Studentin nochmals Sorge: „Polizisten mit Atemschutzmasken stiegen in den Bus, sammelten unsere Pässe ein.“ Der bange Gedanke: „Was passiert, wenn wir nicht weiterfahren dürfen?“ Nach einer halben Stunde Aufatmen: Die Passagiere erhielten ihre Papiere zurück, konnten ihre Fahrt fortsetzen. „Wir hatten Angst, nicht mehr rausgelassen zu werden“, erinnert sich Bildau. Nach der Ankunft in Frankfurt wurde sie vom Vater eines Freundes abgeholt, kam am Sonntagnachmittag endlich in Viersen an: „Ich war einfach nur froh, in Deutschland zu sein.“
Mitgenommen hat sie aus Italien nur eine kleine Tasche, die meisten ihrer Sachen sind im Studentenwohnheim. Auch wenn der Brief der Universität eine Aufnahme des Lehrbetriebs für nächsten Montag angekündigt hat – vorstellen kann sich die Viersenerin das zurzeit nicht. Wie ihre Kommilitonen will sie abwarten und noch keinen Flug nach Mailand buchen. Zu groß ist die Erleichterung, nach ihrer Odyssee in Viersen zu sein. Und damit sicherer vor dem Corona-Virus.