Heimatverein Wettbewerb: 100 Kinder retten die Mundart
Die Kinder von 17 Schulen aus dem Kreis haben am Mundart-Wettbewerb des Heimatvereins teilgenommen.
VIersen. Um das Plattdeutsche zu erhalten, hat ein Arbeitskreis des Viersener Heimatvereins den Mundart-Vorlesewettbewerb ins Leben gerufen. Mehr als 100 Kinder aus dem Kreis Viersen haben in den vergangenen drei Tagen bei der 32. Auflage des Wettbewerbs mitgemacht. „Ich verstehe meine Oma jetzt etwas besser“, sagt Lisa-Marie. Die 14 Jahre alte Schülerin der Liebfrauenschule Mülhausen hat in den vergangenen Wochen mit ihrer Großmutter Plattdeutsch geübt.
Und das ist ihr anzuhören: Als sie in der Albert-Vigoleis-Thelen-Stadtbibliothek zu lesen beginnt, ist Lisa-Marie für Nicht-Platt-Sprechende kaum zu verstehen. „Eulenschpiijel an der Riin“ heißt die Geschichte, die sie vorträgt. Eine List kommt vor, Wein, am Ende gewinnt Eulenspiegel — Fragmente des Textes verstehen auch Zuhörer, die nur Hochdeutsch beherrschen. Doch den ganzen Text begreifen? Das ist ohne Plattkenntnisse unmöglich. Platt, das sei Heimat, sagt Marieluis Boes. Sie leitet den Arbeitskreis Mundart im Viersener Heimatverein und gehört zu den Organisatoren des Vorlesewettbewerbs. „Diese Sprache ist Kulturgut“, findet sie. „Bei aller Globalisierung müssen wir die Heimat erhalten.“
Wie gut das gelingt, ist unklar. Es gibt kaum verlässliche Zahlen zur Anzahl der Plattsprecher. Für Norddeutschland hat das Institut für niederdeutsche Sprache in Bremen erhoben, dass etwa 2,5 Millionen Menschen im Jahr 2007 Platt sprachen. Das seien deutlich weniger als bei der vorherigen Erhebung 1984.
Immerhin sprechen die Kinder und Jugendlichen, die beim Wettbewerb mitmachen, nun ganz gut Plattdeutsch, findet Hella von den Berg. Sie gehört zum Arbeitskreis Mundart und moderiert den Wettbewerb. „Es wäre unser Wunsch, dass sie das in die Familien hineintragen. Da, wo noch Großeltern sind, wird auch zu Hause Plattdeutsch gesprochen.“ Doch in der Elterngeneration sei die Sprache selten. Hier könnten die Kinder vielleicht für das Plattdeutsche werben.
Aktive Sprecher werden sie nur durch den Wettbewerb nicht. „Ich kann die einzelnen Teile der Sprache nicht gut zusammensetzen“, sagt Joshua. Der Neunjährige besucht die Gemeinschaftsgrundschule St. Hubert in Kempen. Zu Hause spricht seine Oma Platt. „Natürlich kannst du das“, widerspricht sie, sie hat den Enkel zum Wettbewerb begleitet. Tatsächlich bekommt er ein „Wie geht’s?“ und die Antwort hin. Doch ebenso wie Joshua berichten andere Schüler, dass ihnen Platt im Alltag schwer fällt.
Allerdings trägt der Wettbewerb zum Dialog zwischen den Generationen bei. Mehrere Schüler erzählen, dass sie mit ihren Großeltern die Texte geübt haben.
Die Texte haben die Kinder nicht selbst ausgesucht. Der Heimatverein gibt pro Altersstufe einen Text vor, die Kinder erhalten eine Übersetzung. Acht Juroren bewerten, wie gut die Schüler die Texte beim Lesen gestalten. „Da merkt man sofort, ob jemand verstanden hat, was er liest“, sagt Boes. Ebenfalls bewertet wird das fließende Lesen und richtiges Lesen — also, ob die Wörter richtig ausgesprochen werden.
Hier scheiden sich die Geister: „Wenn die Schüler aus Süchteln vorlesen, muss ich meine Ohren zumachen. Sonst lese ich am Ende nicht so vor, wie ich mir das vorgenommen haben“, sagt Marie. Sie ist in St. Hubert-Voesch aufgewachsen und besucht die zehnte Klasse des Gymnasiums Thomaeum in Kempen. Sie erklärt, dass das Platt in Süchteln sich stark von dem unterscheide, das in ihrer Familie gesprochen wird. „Richtig oder falsch gibt es hier aber nicht“, sagt Boes. „Wir lassen alle Platt-Varianten gelten.“
Diese Unterschiede zu hören, gelingt aber nur denen, die das Plattdeutsche beherrschen. Doch auch ohne diese Kenntnisse macht das Zuhören beim Wettbewerb Spaß. Ob die Schüler nun mehr Platt sprechen? Schwer zu sagen. Immerhin haben viele von ihnen ein breites Lächeln auf den Lippen, wenn sie die Bühne verlassen.