Kempen Was für ein großes Glück!

„So liebt der Niederrhein“: WZ-Redakteur Tobias Klingen hat zwei kleine Kinder und beschreibt seine Gefühlswelt.

Foto: privat

Kempen. „Daumen hoch“ — diese Geste gilt allgemein als ein positives Signal. Oft wird sie im Alltag bei ganz lapidaren Dingen benutzt. Zum Beispiel auf dem Fußballplatz, wenn der Pass des Mitspielers richtig gut war. In einem Moment meines Lebens hatte ein in die Höhe gereckter Daumen aber eine ganz besondere Bedeutung.

Es ist der 5. Juli 2014, kurz nach halb zwölf mittags. Meine Frau und ich befinden uns im Operationssaal des Viersener Krankenhauses. Kurz nachdem mein Sohn per Kaiserschnitt das Licht der Welt erblickt hat — leider sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin. Die Tür zu einem Nebenraum öffnet sich. Dorthin wurde unser Kind sofort nach der Geburt zur Untersuchung gebracht. Der Kinderarzt steckt seinen Kopf und einen Arm durch die Tür. Er hebt den Daumen einer Hand und sagt: „Herr Klingen, es ist alles in Ordnung.“

Die kurze und sachliche Nachricht in Verbindung mit dem nun schon mehrfach erwähnten Daumen lösten bei mir eine Anspannung. Gleichzeitig verspürte ich sofort ein großes Glücksgefühl. Meinem Sohn Moritz, knapp 2000 Gramm schwer und sechs Wochen zu früh auf der Welt, ging es nach besonders aufregenden Tagen gut.

Die Nacht vor der Geburt hatten meine Frau und ich vor Messgeräten verbracht, die teilweise schlechte Herztöne unseres Kindes anzeigten. So folgte die Entscheidung der Ärzte für den Kaiserschnitt. Und dann diese bangen Minuten im OP kurz nachdem Moritz auf der Welt war. Er hatte zwar kräftig geschrien, aber trotzdem blieb da dieses unsichere Gefühl und die Frage, ob denn wirklich alles gut gegangen war.

All’ das war dann vergessen, als die positive Botschaft kam. Erst recht, als ich eine gute halbe Stunde später meinen Sohn in den Händen halten konnte. Was für ein großes Glück!

Es folgten drei Wochen auf der Kinderstation der Klinik, in denen sich Moritz so langsam an diese Welt gewöhnen sollte. Medizinisch war alles in Ordnung, er musste halt nur ein wenig aufgepäppelt werden. In den anderen Zimmern der Station gab es weitaus schlimmere Schicksale. Kinder, denen es nicht so gut ging wie Moritz, wurden dort behandelt. Eltern, die weitaus mehr Sorgenfalten auf der Stirn hatten als wir, weilten auf der Station. Und immer wieder kam die Erkenntnis: Was haben wir für ein großes Glück!

Auch in den eigenen vier Wänden ist so ein kleines Kind ein großes Glück. Ich will aber keinesfalls verschweigen, dass schlaflose Nächte und regelmäßige Schreianfälle schon eine Belastung für die Nerven sind. So ein Frühchen hat häufig Probleme mit dem Schlafen. Und Moritz bildete da keine Ausnahme — oh nein, die bildete er definitiv nicht.

Inzwischen ist unser Junge beim Schlafen aber ein wahrer Musterknabe. Und auch sonst treibt er uns regelmäßig die Tränen in die Augen — und zwar vor Lachen, vor Rührung, vor Glück. „Das ist die schönste Zeit, genießt sie!“ Diese Empfehlung haben wir häufig bekommen. Trotz der Tatsache, dass ich die nächsten Jahre nicht vorhersehen kann, glaube ich tatsächlich, dass wir derzeit die schönste Zeit erleben. Wenn ich nach einem stressigen Tag in der Redaktion unser Haus betrete und Moritz in meine Arme springt, dann ist es auf jeden Fall wieder da — dieses Gefühl: Was für ein großes Glück!

Inzwischen hat sich unser Glück sogar verdoppelt. Seit gut zwei Monaten hat Moritz eine kleine Schwester. Nele gehört nun zur Familie. Wir sind stolz — und Moritz auch. Ich möchte aber auch jetzt das mit den schlaflosen Nächten und den Schreianfällen nicht verschweigen. Allerdings wissen wir ja, wofür diese anstrengenden Wochen gut sind.

Begonnen hat Neles Leben übrigens mit einem ähnlichen Moment wie dem, den ich am 5. Juli 2014 erlebt habe. In der Nacht zum 16. Oktober 2016 befinden wir uns in einem Operationssaal — diesmal mal im Kempener Krankenhaus. Erneut haben wir einige komplizierte Stunden mit auffälligen Herztönen des Kindes hinter uns. Erneut gibt es einen Kaiserschnitt. Unser Mädchen wird sofort in einen Nebenraum gebracht und untersucht. Kurze Zeit später öffnet ein Arzt die Tür und sagt: „Es ist alles okay.“

Einen Daumen, so glaube ich, hat der gute Mann nicht in die Höhe gereckt. Trotzdem kam wieder die Erkenntnis: Was für ein großes Glück!