Bürgermeister-Kandidat: „Ich will keinen Typen kopieren“

Im Gespräch mit der Westdeutschen Zeitung erklärt Uwe Leuchtenberg, warum er für den Bürgermeister-Posten antritt.

Foto: Kurt Lübke

Tönisvorst. Der Mann weiß sich zu artikulieren. Und wenn er einmal in Fluss gerät, hat er eine Angriffswucht wie die legendäre Fohlenelf von Borussia Mönchengladbach zu besten Zeiten: Uwe Leuchtenberg (56, SPD) tritt am 25. Mai bei der Kommunalwahl an. Er möchte diesmal Bürgermeister von Tönisvorst werden. Wie sieht er seine Chancen? Wo sind seine Schwerpunkte? Im Gespräch stellte er sich der WZ-Redaktion.

Warum sind Sie Politiker geworden? Gab’s ein einschneidendes Erlebnis?
Uwe Leuchtenberg: Das muss im sechsten oder siebten Schuljahr gewesen sein, da habe ich Hartmut Kupfer kennengelernt. Mit diesem Lehrer hatte ich Politik. Der konnte Leute begeistern, auch mich. In der Lehre bin ich dann der Gewerkschaft beigetreten, wurde Jugendvertreter. Danachwurde ich Juso. Das war in Vorst schon schwierig. Später saßen wir mit fünf bis sieben Jusos im Stadtrat, ohne allzu viel Wissen. Als Politiker muss man, wenn man anfängt, nicht alles wissen, man muss sich nur über etwas ärgern und sich dann engagieren.

Welcher Politikertyp wären Sie gerne: Sigmar Gabriel, Gerhard Schröder oder Willy Brandt?
Leuchtenberg:
Es gibt keinen Typen, den ich kopieren will. Ich habe mich nie von Politik abhängig gemacht, wollte immer unabhängig bleiben.

Was verbuchen Sie als größten politischen Erfolg als ehemaliger Landtagsabgeordneter und vor Ort?
Leuchtenberg: Im Land, das darf ich sagen, habe ich daran mitgearbeitet, die SPD wieder regierungsfähig zu machen. Vor Ort sind es die Entscheidungen, auch die über die Parteigrenzen hinweg, die zu der guten Entwicklung der Stadt geführt haben. Wir haben eine halbwegs vernünftige Haushaltssituation, die Schulen sind gut ausgestattet.

Was war Ihre größte politische Enttäuschung?
Leuchtenberg: Dass ich 2009 nicht Bürgermeister geworden bin.

Nun wollen Sie im zweiten Anlauf Bürgermeister werden. Warum?
Leuchtenberg: Ich bin der Überzeugung, dass die Stadt es Wert ist, sich für sie einzusetzen. Ich habe mir ernsthaft überlegt, ob ich mir den Wahlkampf noch einmal antun möchte. Dieser Job würde mir Spaß machen, mich ausfüllen. Es gibt vieles, was ich umsetzen möchte. Eine Wohnraumtauschbörse zum Beispiel. Und eine gute Innenstadtbebauung. Ich möchte auch etwas für Vorst tun. Ich fühle mich nicht mehr abhängig, auch nicht von meiner Partei. Ich muss mich nicht verbiegen, habe mein persönliches Programm. Das ist ein Gefühl von Freiheit. Ich mache meinen Stil.

Was hat Bürgermeister Thomas Goßen in seiner Amtszeit gut gemacht, was passte Ihnen gar nicht?
Leuchtenberg: Da sage ich nichts dazu, nur so viel: Ich würde es anders machen. Beispiel: Wenn jetzt ein Bürger zur Verwaltung geht, eine Anregung gibt, einen Antrag stellt, dann wird verwaltungstechnisch gut daran gearbeitet. Danach gibt es einen Bescheid, ob etwas geht oder nicht. Ich bin der Meinung, der Bürgermeister ist der Interessensvertreter des Bürgers, er hat die Lobbyarbeit für ihn zu machen. Der Bürgermeister muss Anliegen der Bürger in die Politik tragen und nicht nur Rechtsvorschriften heranziehen. Er muss seine Richtlinienkompetenz ausloten und schnell eine klare Vorlage erarbeiten, zu der die Politik dann ja oder nein sagen kann.

Wenn Sie Tönisvorst in einem Hochglanzprospekt für Tourismus beschreiben müssten, dann würden Sie sagen . . .
Leuchtenberg . . . schönes Wetter. Nein im Ernst: Wir leben in einer grenznahen Region, das hat viele Vorteile. Dass die Grenzen weggefallen sind, heißt, dass wir uns frei bewegen können. Unsere Gegend hat viel zu bieten. Meine Hobbys sind davon geprägt: Gärtnerarbeiten, Segeln und Motorradfahren.

Wo sehen Sie die größten Schwächen der Stadt?
Leuchtenberg: Das Zusammenwachsen der beiden Stadtteile ist immer noch nicht gelungen. Das reicht von den Einkaufsmöglichkeiten bis zu den Ärzten. Das hätte man anders gestalten können. Es hätte viel mehr Infrastruktur zwischen die beiden Stadtteile gehört. Etwa, indem man das Schulzentrum in das Gewerbegebiet Tempelshof oder das Verwaltungsgebäude ins ehemalige Auto-Suture Gebäude verlegt hätte. Jetzt müssen wir dafür Sorge tragen, dass Vorst nicht abgeschnitten wird.

Mit welchen Sorgen wenden sich Bürger an Sie?
Leuchtenberg: Mit allem. Es hat noch nichts gegeben, was nicht gefragt worden wäre. In der Hauptsache ist es aber Ärger mit der Verwaltung. Die Probleme haben sich verschoben. Als meine Kinder noch in den Kindergarten oder zur Schule gingen, ging es um solche Probleme, die ich auch kannte. Heute ist das etwas anders. 80 bis 85 Prozent der Leute sprechen mich an, wenn sie mich sehen, auf allen möglichen Veranstaltungen.

Wieviel Prozent holen Sie am Wahlsonntag?
Leuchtenberg: Soviel, wie die Wähler mir geben (lacht). Ich gehe davon aus, dass ich eine reelle Chance habe. Entweder am 25. Mai oder in einer eventuellen Stichwahl, die am 15. Juni sein könnte. Ich hoffe aber, dass wir die nicht brauchen.

Wenn Sie gewinnen, was werden Sie als Erstes tun?
Leuchtenberg: Ich werde am Montag in die Verwaltung gehen und „Guten Morgen“ sagen. Dann stelle ich mich bei den Mitarbeitern vor, obwohl die meisten mich kennen dürften. Dann muss ich mich sachkundig machen, etwa darin, wie die tatsächlichen Abläufe sind, welche informellen Wege, welche Seilschaften es gibt. Das braucht alles seine Zeit. Ich möchte dahin kommen, dass Bürger mehr Informationen bekommen und auch mehr Möglichkeiten haben, Einfluss zu nehmen. In den Sitzungen des Rates und der Ausschüsse ist zu viel nichtöffentlich. Eines steht aber auch fest: Ich werde keine Verwaltungslehre machen. Ich werde mir auch nicht die Denkweise der Verwaltung zu eigen machen. Ich kann mich aber auch nicht in alles einmischen. Dafür gibt’s gute Leute in den Ämtern. Ein Bürgermeister ist so etwas wie ein Klassensprecher.

Wie sieht Ihr Plan B aus, wenn Sie unterliegen?
Leuchtenberg (lacht): Im Lotto gewinnen, dann eine Segelyacht in Kroatien, etwas Skipper-Training. Nein, im Ernst, ich würde meinen Job gut zu Ende bringen. Und ich würde Kommunalpolitiker bleiben. Da ich auf dem ersten Listenplatz stehe, werde ich mit einiger Sicherheit dem nächsten Stadtrat angehören.