Chören geht die Puste aus
Vielen Männerchören fehlt es an Nachwuchs. Was Sänger Leonhardt Zanders betroffen macht.
Tönisvorst/Schiefbahn. Ein Leben ohne den Gesang - für Leonhardt Zanders wäre dies nicht möglich gewesen. Kaum hat der 82-Jährige Platz genommen, hebt er seine Stimme - nicht etwa, um von seinem Leben als Laiensänger zu erzählen. Vielmehr, um seinen Zuhörern ein fröhliches deutsches Liedchen vorzusingen. Seit 60 Jahren engagiert sich der Krefelder nun schon in verschiedenen Chören. Dafür wurde er jüngst sogar mit der Goldenen Ehrennadel des Chorverbandes Linker Niederrhein ausgezeichnet.
Im Moment verstärkt er den Forstwalder Männergesangverein, der, wie immer wieder aus den Sängerreihen betont wird, nicht nur ein Krefelder, sondern auch ein Tönisvorster Verein ist. Wehmut überkommt Leonhardt Zanders (Foto) nicht, wenn er auf seine Sänger-Karriere zurückblickt. Nur ein Thema macht ihn betroffen: Dass den Männerchören der Nachwuchs fehlt.
Im Forstwalder MGV sind zurzeit 26 Männer aktiv. Alle haben die 60 hinter sich gelassen, einige, wie Leonhardt Zanders, sogar die 80. Der Chor bräuchte dringend Nachwuchs, müsste sich eigentlich deutlich verjüngen. "Wir haben viele gute Sänger durch den Tod verloren und brauchen dringend Verstärkung", sagt Achim Denz, Vorsitzender des Männergesangvereins Forstwald.
Doch Nachwuchs gibt es nicht. Selbst dann nicht, als der Chor sein Repertoire umstellte, aus seiner Sicht moderner wurde. Die einzige Möglichkeit, um stimmkräftig zu bleiben, ist der Zusammenschluss mit anderen Chören - zumindest bei Konzerten. So kooperieren die Forstwalder seit zwei Jahren mit der Männerchorgemeinschaft Krefeld, die damals 30 Mann stark war - und nun nur noch 14 Leute an Bord hat.
Auftritte sind für Leonhardt Zanders bis heute das Schönste am Gesang. "Wenn das Publikum eine Zugabe fordert, ist das ein unglaubliches Gefühl." Selbst während seiner Arbeit im Fundus des Krefelder Stadttheaters konnte er sich mit dem Gesang beschäftigen. "Ich musste immer bei allen Oper und Operetten-Proben dabei sein. Ein Pluspunkt für mich: Ich konnte immer alle auswendig mitsingen", sagt Zanders.
Oft wurde er von anderen Chören gebeten, sie mit seiner Stimme zu verstärken. Denn schon vor Jahren wurde das Problem des Nachwuchsmangels sichtbar, mit dem viele Chöre zu kämpfen haben. Einige, von denen Zanders spricht, existieren schon gar nicht mehr.
"Die Chöre müssen sich verjüngen", sagt Zanders. Vielleicht, indem sie Anspruchsvolleres singen, überlegt er. Auf Deutsch oder Italienisch - Englisch komme nicht in Frage. Doch warum sind die Chöre in der Krise? "Früher gab es noch keinen Fernseher, auch andere Freizeitangebote waren dünner gesät", sagt der 82-Jährige. Sport und Gesang waren die Dinge, die sich viele leisten konnten.
Dieser Meinung ist auch Peter Klenner, der Vorsitzende des MGV Eintracht Schiefbahn. "Für unsere Gründerväter war die Chorprobe noch das Allerheiligste", sagt er. Das sehe bei den vielen anderen Freizeitangeboten heute anders aus. Auch er kennt die Gründe, warum sein Verein keinen Nachwuchs findet. "Jugendliche passen nicht zu den älteren Sängern. Das gibt nur Ärger", sagt Klenner. Und die Leute im mittleren Alter hätten andere Hobbys.
Auch Klenner setzt auf Kooperationen - zurzeit mit dem MGV Cäcilia. Zwar ist der Schiefbahner Chor auch noch alleine singfähig - wie lange noch, weiß indes niemand.
Leonhardt Zanders weiß dagegen ganz genau: Ob Chor oder nicht - ein Tag ohne Gesang ist ein vergeudeter Tag.