Tönisvorst Daniel Martens – der „Peter Lustig“ aus St. Tönis

St. Tönis. · 20 Jahre lang arbeitete er in der IT-Branche. Nun hat er in Duisburg einen Naturgarten angelegt.

Im Duisburger Stadtteil Kaldenhausen hat Daniel Martens einen Naturgarten angelegt.

Foto: Lilies'n'birds

Als Kind baute Daniel Martens Baumhäuser in St. Tönis, zuletzt war er 20 Jahre Geschäftsführer einer Agentur für digitale Medien. Zwei Jahre lang gönnt er sich jetzt eine Auszeit – um sich selbst wiederzufinden und seinen Standort zu bestimmen. Für sich selbst hat er bereits viel verändert. Früher trank er vier Flaschen Cola am Tag und futterte Gummibärchen in sich hinein. Heute lebt der 49-Jährige vegan, läuft und fährt mit dem Rad. Vor der Tür seines Büros „Lilies’n’Birds“ im Duisburger Stadtteil Kaldenhausen hat er ein kleines Stück Brachland in einen Naturgarten verwandelt – mit offizieller Unterstützung seitens der Stadt Duisburg.

Nun könnte man sagen, aus einem Saulus ist ein Paulus geworden. Das greift bei Daniel Martens zu kurz. Gleich zu Beginn des Gesprächs bekennt er, überhaupt nicht technikfeindlich zu sein. IT sei was Schönes, „Jungen mögen Technik“ fügt er hinzu und grinst dabei. Er sei stolz auf seine niederrheinische Wurzeln, die St. Töniser Art bewahre ihn davor, in Euphorie über den technischen Fortschritt zu verfallen. Er hält nichts von den Visionen eines Elon Musk, dem Gründer des Autoherstellers Tesla, und des japanisch-amerikanischen Physikers Michio Kaku, für die Zukunft noch mehr Technik bedeuteten.

Das sei aber nicht kaufmännisch genug gedacht. Kaufleute seien viel klüger als die Zukunftsevangelisten. Das weite Land am Niederrhein, für die auch der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch stünde, führe zu einem überlegten Nachsinnen, genau das Gegenteil zu der Hyperaufgeregtheit in den großen Städten. Auf dem Lande leben man entspannter und disziplinierter.

Martens prangert den Energiebedarf des Internets an

Martens selber hat 20 Jahre in Essen gearbeitet. Der Kommunikationsdesigner sieht in der Technik auch die Essenz des Ruhrgebietes. Er vergisst aber auch nicht die Technikbegeisterung in der NS-Zeit. Für viele sei die Digitalisierung zur neuen Religion geworden. Die letzten 20 Jahre seien von Gläubigkeit in die Möglichkeiten der Technik geprägt gewesen. Das habe sich durch Greta Thunberg geändert.

Und wenn man den Klimawandel ernst nimmt, müsse man auch über den Energiehunger des Internets reden. Nach seinen Recherchen – natürlich im Internet – war der Energiebedarf des Internets 2011 etwas höher als der des weltweiten Luftverkehrs. 2019 sei er doppelt so hoch: 2,1 Prozent des weltweiten Energiebedarfs fällt auf den Luftverkehr, der des Internets liegt bei 3,9 Prozent (Energiebedarf meint jetzt die Ressourcen, nicht die Emissionen, die dabei erzeugt werden). Selbst wenn man grüne Energien nutzt, liefen die Server 24/7, also 24 Stunden jeden Tag. Und nachts wird vorwiegend auf Kohle- und Atomstrom  zurückgegriffen.

Wer sein Smartphone benutze, vergesse leicht die Infrastruktur, die dahinter stehe. Die Erfinder des Internets haben Ökologie und Tele- oder Heimarbeitsplätze versprochen. Die Manager müssten nicht mehr in den Flieger steigen, sondern könnten per Videokonferenzen kommunizieren. Davon sei nur ein Bruchteil umgesetzt worden. In der Masse liefen im Internet dagegen Video on demand, Porno und Streamingdienste. Von den hohen und hehren Zielen sei wenig übriggeblieben.

Auch das 5G-Netz sieht Martens kritisch. Bei selbstfahrenden Autos liege die Rechenpower vorwiegend im Auto selber, 5G sei unerheblich, um Staus zu umfahren. Der eigentliche Grund für 5G sei das Format HD oder 4K-Bildauflösung. Diese hohe Qualität sei aber auf dem Smartphone überhaupt nicht mehr wahrnehmbar. Die Rechenleistungen der neuen Techniken seien weitgehend ausgereizt, die Branche mit ihren Verkaufsargumenten am Ende.

Auch die Digitalisierung in der Wirtschaft habe zu vielen hohlen Spruchblasen geführt und der Mittelstand staune Bauklötze. Außer Online-Shop und Warenwirtschaft seien wenige Ideen umgesetzt worden.

In seinem Naturgarten experimentiert er mit Kräutern

Und dann wird Daniel Martens richtig philosophisch. Das Internet entwerte die Kommunikation. Wie in der Geldwirtschaft könnte man von einer Inflation reden. Unser aller Lebenswelt wird beschleunigt, die Vergleicherei führe dazu, das niemand mehr zufrieden sei. Die meisten Nutzer bevorzugen eine Suchmaschine und bleiben auf der Seite 1 hängen. Andere Suchmaschinen brächten andere Ergebnisse, vielleicht erst auf Seite 3. Wer nur die Suchergebnisse bekommt, die zu ihm passen, bleibt in seiner Blase. Das sei eine Sackgasse. Martens’ neue Wege führen durch die Natur, er experimentiert mit Wildkräutern aus seinem Naturgarten. Seine Rezepte gibts im Internet. hb