Rundgang durch St. Tönis Zwischen Bier und Braukunst

St. Tönis. · Der Heimatbund St. Tönis hat eine neue Stadtführung im Programm. Mitglied Christiane Pohl führt die Teilnehmer auf informative und unterhaltsame Weise auf die Spuren der Brauereien, die es früher dort gab.

Christiane Pohl (l.) vom Heimatbund St. Tönis zeigte den Besuchern, an welchen Orten einst die Brauereien standen.

Foto: Norbert Prümen

Am bislang heißesten Tag des Jahres hatte der Heimatbund St. Tönis zu einem Brauereirundgang durch St. Tönis eingeladen. Doch das Einzige, das fehlte, waren die noch existierenden Brauereien und der Genuss des kühlen Getränks. „Das meiste, über das man erzählen möchte, gibt es nicht mehr“, begann Christiane Pohl. Durch die Ortskernsanierung in den 1970ern sind viele alte Bauten abgerissen worden. Die letzte aktive Brauerei, Rixen, wurde 1984 geschlossen. Sechs Jahre später wurde auch dieses Gebäude abgebrochen.

Pohl hatte alte Fotografien im Gepäck, die die alten Häuser, Straßenverläufe und Brauereien anschaulich machten. Diese zeigte Pohl an den Originalschauplätzen. Straßennamen wie Alter Brauhof, Brauereistraße oder Rixen-Poort erzählen einen Teil der Brauereigeschichte von St. Tönis. Eine Gedenktafel, die 1980 angebracht wurde, erinnert daran, dass zwischen Antoniusstraße, Marktstraße und Alter Markt die alten Brauereibauten standen.

Dieser besondere Rundgang war eine Premiere. Heimatbundmitglied Pohl hatte Bücher, Verzeichnisse und Akten gewälzt, der stellvertretende Vorsitzende Ulli Triebels steuerte weitere Erkenntnisse bei. „Wandern Sie mit uns auf den Spuren der St. Töniser Brauereien“, hieß es in der Ankündigung. Ein Dutzend Interessierte war zum Heimathaus Antonius gekommen, wo der gut einstündige Rundgang startete.

Die meisten Mit-Wanderer waren alteingesessene St. Töniser oder wohnen seit mindestens 40 Jahren dort. An die Kneipen und Brauereien erinnerten sich einige unter ihnen gut. An Festivitäten bis in den frühen Morgen, aber auch an den Geruch der Maische, der durch die Straßen von St. Tönis wehte. Die einen fanden ihn angenehm, die anderen weniger sympathisch.

Manche der Rundgangsteilnehmer hatten noch gut im Gedächtnis, dass es in den 1960er-Jahren mehr als 50 Kneipen in dem 17 000-Seelen-Ort gab. Viele davon ballten sich auf der Hochstraße.

Mitte des 19. Jahrhunderts zählte St. Tönis sechs Brauereien auf seinem Gebiet – und das bei gerade mal rund 7000 Einwohnern. Dazu stellte eine Cognacbrennerei in St. Tönis Hochprozentiges her, natürlich auch an der Hochstraße und vermutlich im 19. Jahrhundert – genaues wissen die Experten des Heimatbundes (noch) nicht. Rixen war die erste und bekannteste Brauerei in St. Tönis, gegründet von Wilhelm Wirichs, Mitglied einer Familiendynastie, aus der Mitte des 20. Jahrhunderts die Wirichs Supermärkte und Baumärkte hervorgingen.

In der heutigen Gaststätte Ravvivi befand sich die Brauerei Wirich

Im Jahr 1837 hatte St. Tönis nicht nur die Rixen-Brauerei, sondern auch eine Post, eine Kirche, eine Samt- und Seidenweberei, eine Öl- und eine Mahlmühle, später sogar eine Dampfmühle, außerdem ein Armen-, ein Waisen- und ein Krankenhaus.

1858 folgte die Brauerei Ortmanns an der früheren Schelthoferstraße, jetzt passenderweise Brauereistraße. 1887 dann die Kulder-Brauerei. Rixen und Ortmanns schlossen sich 1920 unter dem Namen Ortmanns & Rixen oder auch Ort-Rix, zusammen. In St. Tönis wurde übrigens Altbier gebraut. Das hatte seinen Grund darin, wie Pohl erklärte, dass Altbier schneller verbraucht werden muss. Und da es in St. Tönis an Kühlmöglichkeiten mangelte, braute man Altbier.

In der heutigen Gaststätte Ravvivi an der Hochstraße befand sich die Brauerei Wirichs. Ein kunstvoll gestaltetes Aushängeschild erinnert noch daran. Im Heimathaus selbst lässt es sich in Brauereigeschichte schwelgen: eine Biertheke steht dort, Gläser und alte Flaschen erzählen beredt von den Brauereien des Ortes.

Übrigens, ein St. Töniser, dem es während der Corona-Pandemie zu langweilig wurde, wie Triebels erzählte, hat sein erstes eigenes Bier gebraut. So bleibt St. Töniser Bier dem Ort auch im 21. Jahrhundert erhalten – wenn auch zunächst nur für den privaten Gebrauch des Hobbybrauers.