Willich Entdeckungsreise nach Tschernobyl
Verlassene Orte mit morbidem Charme üben auf Nic R. aus Willich eine große Faszination aus.
Willich. Nic R. ist ein Abenteurer und Entdecker. Doch nicht die Quellen des Nils sind sein Ziel. Es zieht ihn auch nicht zu den Geheimnissen der Tiefsee oder auf die Gipfel der Anden. Nein, der 25-Jährige ist fasziniert von (fast) vergessenen, menschenleeren Orten. Orte von „atemberaubender Schönheit und morbidem Charme“, die er mit seiner Kamera erforscht. Einer der größten Sehnsuchtsorte dieser Art will er Anfang April besuchen: Der Willicher reist nach Tschernobyl.
„Seitdem ich denken kann, war es immer mein Traum, dorthin zu fahren“, berichtet Nic. Seit sechs Jahren ist er an und in solchen spannenden Plätzen unterwegs. Alte Fabriken, verlassene Villen, vergessene Herrenhäuser, aufgegebene Kirchen - was er dort sieht, was er dort erlebt, hält er in Bildern fest.
Für die unzähligen Fotos von seinen abenteuerlichen Besuchen hat er eine ganz eigene Bildsprache entwickelt. Längst hat er sich damit eine große, stetig wachsende Fangemeinde erobert. „Ich bin Deutschlands erfolgreichster Fotograf auf diesem Gebiet“, sagt Nic und verweist auf seine Facebook-Seite „Die verlassenen Ort“, die er im Oktober 2013 an den Start gebracht hat: Auf 130 000 Likes kommt er dort mittlerweile. Presse, Funk und Fernsehen haben schon mehrfach über ihn berichtet, 2014 ist zudem der Bildband „Die verlassenen Orte“ veröffentlicht worden. Sogar Fototapeten kann man von seinen Bildern bestellen.
Jetzt also Tschernobyl. Zwei Autostunden von Kiew entfernt erwartet Nic eine Geisterstadt der besonderen Art. In Prypjat lebten bis zur Reaktorkatastrophe von 1986 mehr als 50 000 Menschen. Gegründet wurde sie als Wohnort der Reaktor-Arbeiter. Dort gibt es unzählige leerstehende Wohnungen, Schulen, ein Krankenhaus, eine Feuerwache, ein Schwimmbad und sogar einen nie eröffneten Rummelplatz. Dies alles wurde Hals über Kopf verlassen und dem Verfall preisgegeben. Genau das ist es, was den jungen Mann aus Willich fasziniert. Denn „hinter jeder Ecke wartet eine Überraschung“, wie er es selbst formuliert.
Anders als sonst, wird Nic in Tschernobyl nicht unangemeldet kommen und sich auch nicht völlig allein bewegen: Das Areal ist militärisches Sperrgebiet, das man nur über eine vorab gebuchte Führung betreten kann. „Ich habe mit dem Veranstalter eine individuelle Tour zusammengestellt“, berichtet der Willicher. Den Reaktor selbst wird er dabei nicht näher zu Gesicht bekommen: Das ist wegen der laufenden Bauarbeiten für den neuen „Sarkophag“, der das verstrahlte Gebäude verschließen soll, nicht möglich.
Apropos Strahlung: Insgesamt drei Tage wird sich der Willicher in Tschernobyl aufhalten. Hat er da keine Angst? „Die Strahlung ist zumeist gar nicht so wahnsinnig hoch, sondern auf dem Flug dorthin wahrscheinlich höher als an den Orten, die ich besuchen werde“, sagt der 25-Jährige. Es gebe freilich stark konterminierte Bereiche wie zum Beispiel Waldgebiete, aber gerade diese könne er mit Hilfe der ortkundigen Führer vermeiden.
Kann Nic R. mittlerweile von seinen Entdeckungsreisen leben? „Nein. Es ist zwar mehr als ein Hobby, aber kein Job.“ Allein für die Tschernobyl-Tour entstehen Kosten im vierstelligen Bereich. Noch nicht einmal diese könne er über den Verkauf von Fotos decken, sagt Nic. Doch darauf kommt es dem Abenteurer und Entdecker aus Willich auch gar nicht an.
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