Händler im Kampf gegen den Beratungs-Klau
Die Idee der St. Töniser Händler, die Scheiben zu verhängen, stieß auf große Resonanz. Es gab auch kritische Stimmen.
St. Tönis. Zuerst sahen die Einzelhändler schwarz, dann die Kunden: Der Werbering hatte die Schaufenster von 50 seiner Mitglieds-Geschäfte mit schwarzer Folie verklebt.
„Wir wollen deutlich machen, wie eine Innenstadt ohne das bunte Angebot des Einzelhandels aussähe“, sagt Werbering-Chef Stefan Robben.
Diese außergewöhnliche Aktion stieß nicht nur auf großes mediales Interesse, sie polarisierte. Denn während die einen mit der Botschaft des Werberings sympathisierten, hielten andere das Vorgehen für falsch. Die WZ hörte sich um.
„Wer macht ohne uns den Notdienst?“, stand auf einem DIN-A4-großen Ausdruck, der sich außen an einer verdunkelten Schaufensterscheibe der Bären-Apotheke befand. „Viele denken da nicht dran, wenn sie ihre Medikamente im Internet statt bei uns bestellen“, sagte Apothekerin Kathrin Bär. Gesundheitsreform und Versandapotheken machten das Geschäft kaputt, so Bär weiter.
„Hier können Sie die Ware noch anfassen und ausprobieren“, warb Doris Technau von Handarbeiten Ziegler für ihr Fachgeschäft. „Das ist die heutige Zeit“, kommentierte sie den Trend, das „scheinbar unendliche Angebot“ im Internet zu nutzen. Technau erlebt es immer wieder, dass Kunden sich Produkte zeigen lassen, diese per Handykamera abfotografieren und gehen. „Da können wir aber nicht von leben.“
Als „extrem störend“ empfanden die Mitarbeiter der Bäckerei Steeg die mit Folie abgeklebte Glasfront — dort stieß die Aktion auf geteiltes Echo. Beim Bummel wunderten sich die Geschwister Marlies Dorenbeck und Willi Dols zuerst über die Aktion, waren aber schnell überzeugt: „Wir kaufen immer zuerst im eigenen Ort. Da werde ich beraten und kann auch mal problemlos etwas umtauschen“, sagte Dols. Wer, wie er, 45 Jahre im Einzelhandel gearbeitet habe, wisse um die Vorteile.
„Es ist ein Vorurteil, dass im Internet alles billiger ist“, sagte Christoph Rieken von V.I.P. Jeans. Er ärgert sich über „Kunden“, die Schuhe anprobieren, diese dann aber woanders bestellen.
Vera Stellen von Juwelier Bähner bleiben immerhin die Einnahmen von Reparaturen und Änderungen, nachdem eine Uhr im Internet bestellt wurde. „Es gibt Leute, die nehmen den Service gerne in Anspruch, wenn sie beispielsweise ihre Ringgröße wissen wollen. Die sehen wir danach nicht wieder“, berichtete sie.
„Mit Licht ist es hier schöner“, fand eine Kundin und schaut aufs zufolierte Schaufenster. „Warum stellt sich der Werbering nicht positiv dar?“, fragte Reiner Kemmler. Er meinte: „Verdunkelte Schaufenster laden nicht zum Kauf ein.“ Trotzdem: Am Reisebüro Stiewisch schätze er „Beratung, Vertrauen und Erfahrung“. Am Ende will Kemmler „für mein Geld das Beste bekommen, egal wo“.
Das sieht Günter Wielpütz ähnlich. Die Gutenberg-Buchhandlung trotzt „Amazon“ und Co: „Im Buchhandel gilt Preisbindung. Außerdem sind auch wir im Internet.“ Wielpütz verwies auf die Gefahr, dass Städte veröden: „Kosten und Mieten sind oft hoch.“
Volles Verständnis hatte Helmut Drüggen für die Aktion: „Bei Ulrich Weckauf weiß ich, was ich bekomme.“ Das hörte der Elektrohändler gern. Ihn ärgert der Preiskampf der Großmärkte: „Die machen das Preisniveau kaputt, bieten aber keinen Service.“ Theo Kawaters bezweifelte, dass Verbraucher ihr Verhalten im Sinne der Händler ändern. Als er sich auf der Hochstraße umsah und die vielen verhangenen Fenster bemerkte, wurde er emotional: „Das sieht schon traurig aus.“