Haushalt „Die Zeit der Geschenke ist vorbei“

Willich · Die Gemeindeprüfungsanstalt NRW sprach im Willicher Rat von robusten Finanzen und hohen Schulden— der Rat verabschiedete einstimmig den Haushalt und war sich einig: Es wird nicht alles so machbar sein wie früher.

Der Willicher Rat hat am Mittwochabend den Haushalt für das Jahr 2022 verabschiedet. 

Foto: Alexander Florié-Albrecht

Vor der Haushaltsdebatte und der einstimmigen Verabschiedung des Etats standen zwei nicht unwesentliche Ereignisse. Einmal überreichten Jugendliche in der Jakob-Frantzen-Halle dem Willicher Bürgermeister Christian Pakusch 831 Unterschriften für die Realisierung der Schiefbahner Pumptrack-Anlage, die sie über eine Online-Petition zusammengebracht hatten.

Anschließend legte die Gemeindeprüfungsanstalt GpaNRW in einem 80-minütigen Vortrag die Grundzüge der Prüfungsergebnisse für die Stadt Willich vor. Ein fünfköpfiges Prüfungsteam hatte die Themenbereiche Finanzen, Beteiligungen, Hilfe zur Erziehung, Bauaufsicht sowie Vergabewesen genauer unter die Lupe genommen. Die stellvertretende gpaNRW-Präsidentin Simone Kaspar, Projektleiterin Birgit Cramer-Görtz sowie der Finanz-Fachprüfer Manfred Daschner  trugen abwechselnd zum Thema vor.

„In fünf der sieben Jahre im Zeitraum 2013 bis 2019 konnte die Stadt Willich Jahresüberschüsse realisieren.  Das gelingt nicht allen Kommunen“, sagte Kaspar. Wegen der Ausgleichsrücklage könne die Stadt der Situation etwas entspannter entgegensehen. „Wir sehen Willich auf dem richtigen Weg in die Zukunft.“ Der Haushalt der Stadt profitiere „von einer hohen Eigenkapitalausstattung, hat im Vergleich zu anderen Kommunen aber überdurchschnittlich hohe Schulden“, beschrieb sie die Willicher Lage. Insgesamt sei es  trotz allem ein eher robusterer Haushalt. „Hieraus ergibt sich aber Handlungsbedarf“, analysiert gpa-Prüfer Markus Daschner die Stadtfinanzen. Das städtische Beteiligungsmanagement sei gut aufgestellt, sinnvoll sei aber die zeitnahe Erstellung der Beteiligungsberichte. Willich ist an 33 Unternehmungen beteiligt, bei zehn Beteiligungen übt die Kommune einen maßgeblichen Einfluss aus.

Überdurchschnittliches Eigenkapital, aber hohe Defizite

Willich plane durch die Isolierung der coronabedingten Schäden in den Jahren 2021 bis 2024 mit Überschüssen. Für eine zügige wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie bestünden erste Anhaltspunkte. „Erfreulich sind ein vergleichsweise überdurchschnittliches Eigenkapital, die Reduktion der Liquiditätskredite in den vergangenen Jahren sowie ein zentrales, gut organisiertes Fördermittelmanagement“, so Daschner. Er sprach aber auch von Schwankungen bei den Jahresergebnissen, zum Beispiel bei der Gewerbesteuer, hohen globalen Minderausgaben und einem strukturellen Neun-Millionen-Euro-Defizit.

Es seien noch Handlungspotenziale vorhanden, so zum Beispiel bei den Hilfen zur Erziehung, der Bauaufsicht und der Digitalisierung, sagte Kaspar. Die Stadt solle sich eine „sparsame Mentalität“ bewahren. „Wir bestärken Sie, Ihre Liquiditätskredite weiter abzubauen.“

Die Stadt könne trotz wachsender Bevölkerung – von 51 000 auf prognostizierte 54 000 Menschen im Jahr 2040 – „durchaus noch Kinder gebrauchen“, sagte Birgit Cramer-Görtz. Es kämen aber viele Familien, man erschließe viele Baugebiete.

Bei den Hilfen zur Erziehung lobten die Prüfer den hohen Anteil von ambulanten Hilfen, die geringe Kinderarmut und Jugendarbeitslosigkeit. Allerdings wiesen einige Hilfeleistungen einen deutlichen Anstieg auf, den man klären müsse. Empfehlungen gab die Behörde unter anderem zum Auf- und Ausbau eines Fach- und Finanzcontrollings im Jugendamt, eine verbesserte Bauaufsicht und eine konsequente Digitalisierung zur Verkürzung der Laufzeiten der Bauanträge und die Anzahl unerledigter Bauanträge. „Mit der zentralen Vergabestelle und der frühzeitigen Einbindung der Rechnungsprüfung hat die Stadt Willich das Vergabeverfahren insgesamt gut organisiert“, lobte Birgit Cramer-Görtz das kommunale Vergabewesen.

Sachliche Haushaltsdebatte
mit wenig Polemik

Sehr sachlich verlief dann die Debatte zum Haushalt der Stadt. Paul Schrömbges (CDU) zeigte sich froh darüber, dass man sich auf den Beschluss für den Haushalt, der ein „Haushalt des Übergangs“ sei, inklusive der Veränderungen habe verständigen können. „Nicht alle Wortmeldungen dazu, die nickelig waren, waren nötig“, meinte der CDU-Fraktionschef auch selbstkritisch. Politischer Autismus führe in die Dialogunfähigkeit. Er appellierte an „den guten Willen zur gemeinsamen Verantwortung“. Es werde „eine neue Denke“ nötig sein, um „die Quadratur des Kreises – die Verschuldung – zu bremsen, das  Nötige zu veranlassen und keine Bugwelle an Aufgaben zu hinterlassen“. Man habe sich darauf verständigt, mit dem „Masterplan Willich“ zu arbeiten, um die Planung und Infrastrukturmaßnahmen aufeinander abzustimmen. Man klage noch auf hohem Niveau, müsse aber zukünftig „das Machbare vom Sinnvollen trennen“. Das werde den Parteien in Bezug auf ihr eigenes Wählerklientel einiges abverlangen. 

Christian Winterbach (Grüne) machte deutlich, dass die Haushaltszahlen „keine Quelle der Freude“ sind, die darin enthaltenden Zahlen für die mittelfristige Finanzplanung „unerfreulich“ seien. Es sei gut, dass die Verwaltung diese „alarmierenden Zahlen“ deutlich kommuniziert habe. Die beschlossene Finanzkommission werde harte Arbeit vor sich haben, um das mittelfristige Defizit von neun Millionen Euro plus Corona-Schäden zu begrenzen. „Die Zeit der großen Versprechungen und Geschenke ist vorbei.“ Da gelte es, „den Bürgern reinen Wein einzuschenken“ und sie auf Einsparungen vorzubereiten. Trotzdem brauche es Investitionen, um eine echte Verkehrswende in Willich zu schaffen und die Stadt in allen gesellschaftlichen Belangen nachhaltig zu machen.

Man sei nochmal mit einem „blauen Auge davongekommen“, meinte der SPD-Fraktionsvorsitzende Lukas Maaßen. „Die akute Gefahr, in die Genehmigungspflicht des Landrates zu rutschen“, habe bestanden. Der Spielraum werde ohne Maßnahmen nicht größer. Man müsse bei den Investitionen schauen, was man mache, die Verwaltung straffen und digitalisieren. Kämmerer und Bürgermeister müssten konkrete Vorschläge dazu machen. Kritik äußerte er an der Ablehnung zur Entlastung einkommensschwacher Familien durch die Gebührenfreiheit für die erste Kita-Stufe.  

Für die FDP mahnte Karl-Heinz Koch, „Kosten und Ausgaben einer kritischen Prüfung“ zu unterziehen. Es sei keine Zeit für „Leuchtturmprojekte“, man müsse „sachlich für Willich“ in den Workshops arbeiten. Detlef Nicola (Für Willich) mahnte, dass man bei vielen Ausgaben „das Augenmaß verloren habe“. Man müsse sehen, ob in Sachen Personal Stellen wegfallen müssten, vier Bürgerbüros zwingend nötig seien. Einzig bei freiwilligen Leistungen lehne er eine Kürzung ab. 

Im Rahmen der Haushaltsverabschiedung wurden auf Bitten des Kämmerers die Sperrvermerke für drei Stellen aufgehoben – für die Übernahme einer Auszubildenden und für zwei Stellen im Freizeitbad „De Bütt“.