Kempen/Vorst: Bei der Familie Platen dreht sich vieles um Weihnachtsbäume Bei Platens ist immer Weihnachten
Kempen/Vorst · Die Familie von Rudolf Platen züchtet und verkauft Tannenbäume. Deshalb ist das Fest auf dem Hof zwischen Kempen und Vorst immer ein Thema.
Es soll ja Menschen geben, für die ist nach Weihnachten vor Weihnachten – frei nach Sepp Herberger. Sie sammeln das Jahr über Geschenkideen, Rezepte für Kekse und andere Leckereien. Das trifft auch auf die Familie Platen zu, wenn auch anders. „Wir sind mit dem Nadelvirus infiziert“, sagt Rudolf Platen, der seit 25 Jahren Tannenbäume verkauft. Und zwar in der Stiegerheide in Vorst – etwa 80 Meter hinter der Kempener Stadtgrenze.
Während seiner Ausbildung vor 25 Jahren hat er ein Faible für das immergrüne und stachelige Gewächs entwickelt. Zuhause, auf dem Hof seines Vaters, wurden Schweine gemästet und Gemüse angebaut. „Das machen wir auch heute noch“, so Platen. Doch sein Vater erlaubte ihm zunächst in einer Ecke, „wo wir mit dem Trecker sowieso nicht hingekommen wären“, Tannenbäume anzubauen. Was mit 50 Stück anfing, hat sich entwickelt: Auf etwa sechs der insgesamt 60 Hektar großen Betriebsfläche stehen 40 000. „Und wir planen, das Feld auszubauen“, sagt Platen.
Aber warum diese Leidenschaft? „Das konnte ich mir zu Anfang nicht erklären. Erst als wir eine Homepage erstellt haben, wurde ich mir darüber klar: Jeder hat in Verbindung mit Tannenbäumen Emotionen. Das gibt es nur mit wenigen Produkten. Jeder hat eine Geschichte zu erzählen“, sagt der Landwirt. Ob der Vater betrunken mit einem schiefen Baum nach Hause gekommen ist. Oder das Ehepaar, das sich über die Deko gestritten und jeder eine Hälfte geschmückt hat. Oder der Bundeswehrsoldat, der in Namibia stationiert war und sich über einen, wenn auch nadelnden Baum, gefreut hat. Platen: „Ich könnte ein Buch darüber schreiben.“ Weitere Gründe waren die „Einkommensalternative und mein Vater konnte mir da nicht reinreden“. 2001 war es dann mit dem Reinreden eh vorbei. „Da habe ich den Hof übernommen und geheiratet.“
Nach dem Trubel werden die
Flächen ab März aufgeräumt
Dann blicken wir mal auf das weihnachtliche Jahr der Platens: Nach dem Weihnachtstrubel mit dem Verkauf der Tannenbäume kehrt zunächst Ruhe ein. Doch schon Anfang März geht es los: Auf den Flächen wird aufgeräumt. „Wir schauen, was übriggeblieben ist, wo es zwischen den Bäumen zu eng wird, wo nachgepflanzt werden kann und wer mangels Verkaufschance aussortiert wird.“ Diese Tannen würden geschreddert und zu Humus verarbeitet. Dann geht es ans Nachpflanzen. Die Setzlinge kommen aus Hamburg. Dann sind sie schon drei Jahre alt und ragen nach dem Pflanzen etwa 15 Zentimeter aus der Erde hervor. Das Pflanzen selbst geschieht teils maschinell, teils per Hand. Mit einer Maschine wird das Bohrloch gegraben und mit der Hand das Bäumchen hineingesetzt.
Nach weiteren bis zu zwölf Jahren haben sie eine „Wohnzimmergröße“ von zwei bis 2,20 Meter. Am schnellsten wachsen die heimischen Rotfichten, die in den Mittelgebirgen vorkommen, dann kommen die Blaufichten, ursprünglich aus Gegenden wie den Rocky Mountains. Am längsten brauchen die Nordmanntannen, so Platen. Sie würden ursprünglich zwischen Georgien und der Türkei wachsen. Diese Rangliste gilt auch für die Haltbarkeit der Nadeln. Genau andersherum verhält es sich beim Tannenduft, da sind die Rotfichten am intensivsten und die Nordmanntannen am schwächsten. „Aber ein paar Blautannenzweige unter den Baum gelegt und es duftet länger“, so der Tipp von Platen.
Vor allem die Frischegarantie werde immer wichtiger, da viele Kunden mittlerweile auch schon zu Beginn der Adventszeit ihren Baum aufstellten. Platen findet das sehr schade. Denn: „Ursprünglich ist die Adventszeit eine Fastenzeit gewesen, wie vor Ostern. Das ist in den Hintergrund geraten“, erklärt er. Seine Familie stelle den Baum erst an Heiligabend auf. „Aber wir haben ja auch in der Zeit davor sehr viel Stress durch den Verkauf.“
Doch bevor es soweit ist, müssen die Bäume und Bäumchen gepflegt werden. Unkraut muss beseitigt werden. Dazu sind zehn Muttertiere der englischen Shropshire-Schafe da. „Vor mehr als 20 Jahren hat man festgestellt, dass diese Rasse weiche Mäuler hat und den Tannen nicht schadet, weil die Nadeln zu hart sind“, erläutert Platen. Ein weiterer Vorteil sei, dass sie durch ihr Getrampel Wühlmäuse verscheuchten, die schon mal gerne an den Wurzeln knabberten. Aber auch der Grubber komme zum Einsatz. Er würde die Kappilaren in der Erde kappen, durch die Wasser aus der Erde entweiche. „Einmal grubbern spart einmal wässern“, erklärt Platen.
Und Wasser brauchen die Tannen schon. Vor allem die Nordmanntanne, die durch ihr Herkunftsland deutlich mehr Regen gewohnt sei. „Hier regnet es im Schnitt jährlich 750 bis 800 Milliliter und dort 1000 Milliliter und mehr,“ erklärt Platen. Haben die Tannen nicht genug Flüssigkeit, so wachsen sie nicht so gut und bekommen gelbliche Nadeln, die auch nicht mehr weggehen.“
Nach dem Sommerurlaub
beginnt schon die Endkontrolle
Immer wieder geht Platen durch die Baumreihen, ausgerüstet mit einer Rosenschere und einer Aufbindezange. Mit der Rosenschere werden falsch wachsende und zu auswuchernde Äste gekappt. Mit der Zange kann man einen Zweig zum Beispiel hochbinden, um eine Spitze, die durch das Gewicht eines Vogels abgebrochen ist, durch diesen ersetzen, wie Platen erläutert. Gedüngt werden muss und auch gespritzt, wenn es sich nicht verhindern ließe. „Sonst beginnt an Weihnachten das große Krabbeln der Baumläuse. Das ist Natur.“ Aber zu viel davon wolle der Kunde nicht.
Wenn die Familie aus dem Sommerurlaub zurück ist, dann beginnt schon die Endkontrolle. „Wir sehen nach, ob alles in Ordnung ist. Wie viele und welche Bäume wir verkaufen können und verpassen ihnen Etiketten“, sagt der 46-Jährige. Die haben ein abreißbares Ende, auf dem eine Nummer steht. „Wir fällen dann die Bäume, die keinen Abschnitt haben und der Kunde kann dann die Tanne bei uns abholen (siehe Kasten). Und damit beginnt für die Familie Platen „eine anstrengende, aber sehr schöne Zeit“. Viele Helfer stünden dann parat, mit denen es im Verlaufe des Jahres nicht so viel Kontakt gegeben habe. „Da gibt es viel zu erzählen. An den Wochenenden ab Allerheiligen, da werden die meisten Tannenbäume abgeholt, beginnen wir samstags mit einem gemeinsamen Frühstück. Das ist immer sehr schön.“ Und wenn die letzten Bäume abgeholt worden sind, dann beginnt auch für die Familie der gemütliche Teil der Weihnachtszeit.