Kreis Viersen: Anstieg der Mini-Jobber um 15 Prozent Zahl der Neben-Jobber steigt

Kreis Viersen · Im Vergleich zu 2013 sind mehr Arbeitnehmer auf ein zweites Gehalt angewiesen. DGB spricht von einem Anstieg um 15 Prozent.

Die Zahl der Menschen, die einen Minijob haben, steigt weiter an.

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Aus Sicht der Gewerkschaft muss es die gute, alte Zeit gewesen sein: Laut Klaus Churt, DGB-Sekretär für die Region Düsseldorf-Bergisch Land (zu der auch der Kreis Viersen gehört) waren vor 25 Jahren in Kaufhäusern noch 60 bis 70 Prozent der Beschäftigten Vollzeitkräfte. Heute sehe es im Einzelhandel ganz anders aus. Ein Großteil arbeite Teilzeit oder als Mini-Jobber, auch bekannt als 450-Euro-Kräfte. Soviel Geld ist maximal monatlich drin.

Grundsätzlich beobachtet der Deutsche Gewerkschaftsbund einen seiner Meinung nach bedenklichen Trend: Immer mehr Menschen im Kreis Viersen üben neben ihrer Hauptbeschäftigung einen Nebenjob aus. Der DGB hat Zahlen der Agentur für Arbeit ausgewertet. Demnach stieg die Zahl der Mini-Jobber im Nebenjob im Kreis Viersen von 8934 zum Jahresende 2013 auf 10 509 im vergangenen Dezember. Das ist ein Plus von 1575 Menschen oder ein Anstieg um 15 Prozent. Zur Einordnung: In Krefeld sind es etwas mehr als 14 Prozent – in Düsseldorf sogar 20 Prozent.

Deutschland sei der größte Niedriglohnsektor Westeuropas

„Die Tatsache, dass immer mehr Menschen im Kreis Viersen neben ihrem Hauptberuf noch einen Nebenjob leisten, ist ein Alarmzeichen“, warnt Klaus Churt. „Wir haben in Deutschland den größten Niedriglohnsektor Westeuropas, jeder Fünfte muss zu weniger als zehn Euro die Stunde arbeiten.“ Es seien vor allem die Frauen, die aufgrund von Teilzeitbeschäftigung und Niedriglöhnen nicht über die Runden kämen. Die Zahlen im Einzelnen: Derzeit gibt es 30 107 Minijobber im Kreis Viersen. Davon sind 62,4 weiblich. 14 386 haben einen Berufsabschluss und 1663 einen akademischen Abschluss. Mehr als die Hälfte gelten als Fachkraft. „Wenn über 53 Prozent aller Mini-Jobberinnen und -jobber Fachkräfte sind, gibt es ein riesiges Potenzial, um den Fachkräftemangel in bestimmten Branchen im Kreis Viersen aufzufangen. Das wäre ein Gewinn für alle Seiten“, so Churt.

Die „Lebensrealität“ zeige zwar, dass einige Leute gerne einen Mini-Job machten. „Viele sind sich aber Konsequenzen nicht bewusst, etwa die Folgen fürs Rentenalter.“ . Nach Berechnungen des DGB erwirbt man nach 45 Jahren in einem Mini-Job bei gewerblichen Arbeitgebern und Versicherungsfreiheit nur einen Rentenanspruch von rund 164 Euro.

In der Regel wollten die Menschen nicht von Zweit- und Drittjobs leben, „sondern von einer sicheren, sozialversicherten und tariflich entlohnten Arbeit“. In der Sozialversicherung sind Minijobs eine Besonderheit, da für die Beiträge geringfügig Beschäftigter in die Sozialversicherung andere Regeln gelten als für regulär Beschäftigte. Das betrifft die Kranken-, Pflege-, Renten-  und Arbeitslosenversicherung.

Der DGB fordert eine grundlegende Minijob-Reform. Ab dem ersten Euro soll in die Rente und die Krankenversicherung eingezahlt werden. Der Gewerkschaft ist bewusst, dass damit in letzter Konsequenz das gesamte Konzept ausgehebelt würde. Churt: „Die Kleinst-Arbeitsverhältnisse müssen gebündelt werden zu Teilzeit- und Vollzeitjobs im Schutz der Sozialversicherung, auch damit die Beschäftigten sich nicht mehr so erpressbar fühlen.“ Der Gewerkschafter bezieht sich dabei auf eine angeblich weit verbreitete Unkenntnis unter den 450-Euro-Kräften, was ihre Position gegenüber den Arbeitgebern betrifft. „Viele meinen, sie hätten keine Rechte, zum Beispiel im Krankheitsfall oder bezüglich Urlaub. Das stimmt aber so nicht.“