Leere Häuser: Der merkwürdige Nachlass der Christel S.

Einige Schandflecke in St. Tönis gehören nun der Kirche und könnten bald verschwinden.

St. Tönis. Ihre „Auftritte“ bei der Stadtverwaltung waren legendär: Wenn Christel Siemes aus dem Gelderner Vorort Pont an der Bahnstraße auftauchte, mussten sich die Angehörigen der Stadtkasse auf Bargeld-Betrieb einstellen: Die Dame zahlte alle Steuern in bar. Das aber erst, nachdem sie annähernd gegen jeden Gebührenbescheid Einspruch eingelegt hatte. Vor einigen Monaten starb sie. Und hinterließ ein merkwürdiges Erbe: In St. Tönis stehen nun vier Gebäude, die ihr gehörten und die man getrost als Schandflecken bezeichnen kann.

Foto: Kurt Lübke

Dabei interessiert sich die Stadt durchaus für diese Häuser, wollte bereits vor über einem Jahr schon einmal prüfen, ob man dort nicht beispielsweise Flüchtlinge unterbringen könnte. Jeder Versuch, mit Frau Siemes in Kontakt zu treten, scheiterte indessen. Dennoch gelang es Stadtvertretern, die Objekte in Augenschein zu nehmen. Das Ergebnis ist ernüchternd. Die „Hütten“ stehen seit 20 Jahren oder länger leer, entsprechend ist der Zustand.

Das ist gut zu erkennen an dem Mehrfamilienhaus an der Leipziger Straße 70. Das Grün drumherum hat das Haus fast komplett „eingepackt“, der wuchernde Kirschlorbeer verhindert schon fast, dass man überhaupt bis zum Eingang kommt. Auf den Balkonen wachsen bereits Birken, deren Stämme schon die Dicke von Schaufelstielen deutlich überschritten haben. 16 Parteien konnten in dem Haus wohnen. Die letzten haben es sicher Mitte der 90er Jahre verlassen. Vor den Garagen ist ein Pflaster kaum noch zu erkennen, alles ist vom Unkraut zugewuchert.

Ähnlich sieht es bei zwei Mehrfamilienobjekten an der Rue de Sees aus. Eine Art Jalousie ist mitten vor die Fenster zur hin Straße geschraubt worden. „Bitte ’Nichts’ einwerfen und ’Nichts’ auf die Straße stellen“, heißt es in einem Anschlag. Die Briefkästen sind rott, lediglich das Tor für die Durchfahrt zu den Garagen scheint neueren Datums zu sein. Im „Garten“ steht meterhoch das Unkraut, was sicher die Nachbarn oft schwer nervt. In ähnlich schlechtem Zustand ist das Gebäude an der Ludwig-Jahn-Straße.

Was geschieht jetzt mit den Immobilien? „Wir haben mit dem neuen Eigentümer Kontakt aufgenommen“, erklärt Catharina Perchthaler, Pressesprecherin der Stadt. Im Zuge der Suche nach Unterkünften für Flüchtline seien die Gebäude sicher interessant.

War eine Kontaktaufnahme mit Christel Siemes schwierig, so leicht ist sie mit dem neuen Besitzer: Das ist die katholische Kirche in Geldern. Ihr hat die schrullige alte Dame ihren gesamten Besitz vermacht. Und der beschäftigt seither Karl Roeling, 2. Vorsitzender des Kirchenvorstandes. „Wir haben zunächst einen Erbschein beantragt. Der ist vor zweieinhalb Wochen eingetroffen“, sagt der Kirchenvertreter. Danach sahen die Verantwortlichen die Häuser von innen an. Auch die in St. Tönis. „Wir haben sie öffnen lassen“, erklärt Roeling.

Jetzt gehe das Verfahren seinen Gang: „Nun müssen die Objekte geschätzt werden“, erklärt Karl Roeling. Dann gehe das Gutachten in den Kirchenvorstand, danach beschäftigt sich ein Arbeitskreis „Erbe Siemes“ mit dem Thema. Und natürlich geht auch keine Entscheidung, ohne das Bistum Münster zu beteiligen. „Gottes Mühlen mahlen bekanntlich langsam“, sagt Karl Roeling. Er betont allerdings, dass der jahrelange Stillstand nicht anhalten soll. Auch die Kirche sei um eine Lösung bemüht.