Lesetipp aus Tönisvorst Ein Stück fruchtige Apfel-Tarte und ein Gläschen Pinot Gris
Tönisvorst · Carmen Alonso, die Leiterin der Tönisvorster Stadtbücherei, gibt unseren Lesern Literaturtipps. Dieses Mal: Julia Mattera und die „Wasserballett-Tage“.
Oscar Klein war einmal ein berühmter französischer Schwimmer, er hat sogar eine Medaille bei den Olympischen Spielen gewonnen. Doch übergroßer Ehrgeiz und seine Eitelkeit machten ihn blind für die Bedürfnisse seiner Familie. Er ist fassungslos, als seine Frau ihn eines Tages entnervt verlässt und die Scheidung einreicht; den 14-jährigen Sohn lässt sie bei dem Vater, dass dieser sich endlich um sein Kind kümmern möge.
Oscar zieht enttäuscht Richtung Paris, wo er bescheiden als Bademeister ein neues Leben beginnen möchte, endlich in Anonymität aber auch mit Schlaflosigkeit, Antidepressiva und Alkohol. Sohn Anthony kommt in ein Internat, jedoch ist der Junge dort so einsam und dem Vater innerlich so fern, dass er schließlich zurück zur Oma ins Elsass zieht. Für Oscar bleibt nur die Erinnerung an glorreiche Tage und ein eintöniger Alltag am Beckenrand, fade wie ein endlos gekauter Kaugummi.
Eines Tages erreicht ihn der Hilferuf der Familie, er möge schnell in die elsässische Heimat zurückkehren, er würde dort gebraucht. Vor Ort stellt er fest, dass er auf ein kleines Täuschungsmanöver hereingefallen ist und dass seine Mutter nur versucht hat, die Familie wieder zusammenzuführen: Oscar soll aus seinem Selbstmitleid geholt und der Enkel mit dem verhassten Vater versöhnt werden. Da Oscar sowieso nichts mit sich anzufangen weiß, nimmt er halt eine Stelle im örtlichen Altenheim an. Er trainiert ab jetzt mit den Senioren Wassergymnastik und entwickelt schnell Freude an der neuen Aufgabe als Fitness-Coach.
Auch die anderen Familienmitglieder und Freunde sind lebenslustig: Da wären zum Beispiel Momo, Köchin im Altenheim, die die raffiniertesten Speisen zu komponieren weiß. Darüber gerät sie aber leider regelmäßig mit der strikten Ernährungsberaterin des Hauses in Streit. Oder Oscars eigenwillige Tante Muriel, die ein, zwei frische Fassbier durchaus zu schätzen weiß. Sowieso sind insbesondere die weiblichen Figuren in diesem Roman alle überaus schlagfertig, schnörkellos und direkt. Es ist ein Vergnügen zu verfolgen, wie sich langsam eine Dynamik entwickelt, die allen guttun wird, egal was für Probleme aus der Vergangenheit es möglicherweise noch aufzuarbeiten oder welche persönlichen Lebenswünsche es endlich einzufordern gilt.
Autorin Julia Mattera (Jahrgang 1985) wuchs in Mulhouse im Elsass auf. Nach dem Studium der modernen Literatur und einer Ausbildung zur Buchhändlerin arbeitete sie im Buchhandel, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. In ihre Romane fließt immer auch ihre Liebe zum Elsass und zu der regionalen Kulinarik ein. Am liebsten schreibt sie in der Küche, während das Essen auf dem Herd vor sich hin köchelt.